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Januar 2020 April 2021
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BePart :: Porträt von Paulo de Carvalho
Paulo de Carvalho ist Gründer und Leiter des Filmfestivals CineLatino in Tübingen und hat außerdem über 15 Filme im lateinamerikanischen Raum produziert, die weltweit auf internationalen Filmfestivals Anerkennung finden. Doch wie kam er dazu?
Paulo de Carvalho ist in einer Kleinstadt (etwa so groß wie Tübingen) im Norden von Brasilien im Bundesland Sao Paulo geboren. Es ist eine Region von Großgrundbesitzern, eine Cowboy Region: wie Paulo de Carvalho sie beschreibt „eine total andere Welt“. Dort findet das zweitgrößte Rodeo-Festival der Welt statt. Es ist eine sehr reaktionär-konservative Region. Es ist dort geboren und aufgewachsen und dann schnell von dort geflohen. Er hat Ozeanographie und Meeresbiologie studiert und ist danach nach Sao Paulo gezogen. Dort hat er in einer Bücherei gearbeitet und ist zum „Film-Freak“ geworden.
Als Kind hatte er einen Fußballtrainer, der auch Geschäftsführer eines Kinos war. So bekam er ganz oft Freikarten für Filmvorstellungen. Er war später dann auf vielen Filmfestivals und in vielen Cineclubs. In den 80er Jahren nach dem Ende der Militärdiktatur waren die Cineclubs in Sao Paulo sehr verbreitet. Über die Buchhandlung und ein Stipendium der Frankfurter Buchmesse ist er das erste Mal nach Deutschland gekommen. Er wollte schon früh nach Europa und den Kontinent kennenlernen. Bereits in Sao Paulo hatte Paulo de Carvalho im Goethe-Institut Deutsch gelernt und hatte auch eine Deutsch-Brasilianische Freundin, mit der er nun verheiratet ist.
Die Wirtschaftskrise in Brasilien hat seinen Entschluss nach Europa zu kommen gefestigt. Zunächst ist er mit einer Freundin nach Italien gezogen, wo er mit seiner Frau in einer psychiatrischen Klinik gearbeitet hat. Durch seine Arbeit hat er italienisch gelernt und diese Sprachkenntnisse konnte er weiter vertiefen, als er für das Locarno Filmfestival in der italienischen Schweiz gearbeitet hat. Paulo de Carvalho stammt ursprünglich von zwei italienischen Familien, die aber in Brasilien kein italienisch gesprochen haben.
Dann hat seine Freundin einen Job bekommen in der Nähe von Tübingen, wo er schlussendlich jahrelang geblieben ist. Er hatte nicht geplant so oft seinen Wohn- und Lebensort zu wechseln, doch seine Freundin und er waren jung und so haben sie sich auf die verschiedenen Ortswechsel eingelassen. Nun lebt er schon seit fast acht Jahren in Berlin. Als er in Tübingen angekommen ist kannte er niemanden. Es war als ob mit dem Fallschirm durch Zufall irgendwo gelandet sei. In einer Disco, Vorgängerin vom Schlachthaus, gab es viele Brasilianer. Es war die Zeit der Lambada. Carvalho konnte nicht Lambada tanzen, ist aber trotzdem sehr schnell in diese Community reingekommen. Früher gab es in Tübingen auf dem Marktplatz auch ein afrobrasilianisches Musikfestival. Eine brasilianische Freundin von ihm hat dort Musikworkshops in brasilianischer Musik gegeben und hat ihm vorgeschlagen das Gleiche im Bereich Film zu machen, denn es gab in Tübingen damals nur die Französischen Filmtage. Er hat zu der Zeit in einer WG gewohnt mit Menschen, die bei diesem Filmfestival mitgemacht haben und ihm vorgeschlagen haben Teil davon zu werden. Durch die Mitarbeit dort und den Vorschlag der Freundin, hat er sich dazu entschieden selbst ein Festival zu gründen, das zunächst nur Brasilianische Filme gezeigt hat: das CineBrasil. Später wurden auch lateinamerikanische Filme gezeigt und das Festival wurde zu CineLatino umbenannt. Damals hat ihn vor allem die Leidenschaft und die Träumerei getragen, nun ist die Erfahrung und die Sicherheit dazu gekommen.
Für ihn ist im Film der künstlerische Aspekt am Wichtigsten. Man muss nicht unbedingt alles verstehen, sondern in die schönheit eintauchen können. „La belezza“ ist wichtig! Er wählt für CineLatino Filme aus, „die dich packen, die dich umarmen“. Sie müssen nicht perfekt sein, aber nach interessanten ästhetischen Aspekten suchen. Was er nicht will sind Filme die Klischees über Lateinamerika wie Armut, Drogen und Gewalt reproduzieren und wenn doch, dann mit einer gewissen Ästhetik. Er will in seinem Festival die Filmauswahl der Deutschen Kinos ergänzen und die Vielfalt Lateinamerikas darstellen.
Wenn es um Filme aus Brasilien geht hat Paulo de Carvalho viel mehr Ansprüche als bei den anderen Ländern. Der Norden und der Süden des Landes sind zwei verschiedene Welten und es gibt viel unterschwelligen Rassismus in Brasilien. Es ist ein sehr kompliziertes Land. Carvalho ist emotional noch stark an Brasilien gebunden auch wenn er jetzt schon einiges von der deutschen Kultur übernommen hat. „Du fühlst dich in der Ferne stärker Brasilianisch als dort“, sagt Carvalho. Es ist interessant so „gemischte Gefühle“ im Ausland zu haben, erklärt er.
Mehr zu seinem Werdegang hört ihr im Beitrag! Und mehr zum CineLatino gibt es hier.
Das Interview führte Natalia Zumaran für das Projekt BePart.fm.
Audio
Interview_mit_Paulo_Carvalho.mp3
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