Alle kennen das gewöhnliche Handlungsmuster in Liebesromanen: ”Ein Junge trifft ein Mädchen, er verliert sie, er kriegt sie wieder”. Bücher, Filme und Lieder zeigen romantische Liebe als eine traumvolle, überglückliche Beziehung bis zum Ende des Lebens. Aber wie realistisch ist es denn? Dabei ist das wirkliche Leben voll von Geschichten über Trennung, unerwiderte und verheimlichte Liebe sowie über die endlose Suche nach sich selbst. In der fünften Sendung von Einer Stimme aus der Menge am 09.02.2022 wurden drei Romane mit alternativer und dabei realistischer Darstellung von Liebe vorgestellt.

Lied:

P!nk: True Love

 

Robin Talley: Pulp (2018)

Janet lebt in den 1950er Jahren in der konservativen Atmosphäre von Washington DC. Im Sommer nach ihrem Schulabschluss versteht sie plötzlich, dass sie in ihre beste Freundin Marie verliebt ist. Janet hat sich noch nie Gedanken über Homosexualität gemacht, aber findet einen Kioskroman über die Beziehung zwischen zwei Frauen. Der Zeitalter, das als ”Lavender Scare” genannt wird, ist aber sehr unterdrückend gegen Homosexuelle. Janet und Marie müssen sehr vorsichtig sein, nicht zuletzt wegen Maries Job in der Stadtregierung…

In den 2010er Jahren geht Abby in ihr letztes Jahr in der Oberstufe. Sie wurde gerade von ihrer Freundin verlassen und leidet unter dem Streit von ihren Eltern. Dann findet Abby einen alten Kioskroman über queere Frauen in den 50er Jahren und beschließt, ihr Schulprojekt über das Genre ”Lesbian Pulp Fiction” zu machen. Besonders eine Autorin namens Marian Love lässt sie nicht mehr in Ruhe. Was ist der Autorin passiert?

Das Buch zeigt gut die unterschiedliche gesellschaftliche Situation für die LGBT+ -Menschen in den 50er Jahren und heutzutage. Während dem ”Lavender Scare” haben als homosexuell verdächtigte Menschen gleich ihren Job verloren, da es angenommen wurde, dass sie leichter von Kommunisten erpresst werden können. Die Kontrolle und Überwachung war deswegen sehr stark, und die ängstliche Stimmung ist greifbar. Auch Menschen mit liberalen Ansichten können Homosexualität verurteilen. Dagegen Abby kann ohne Probleme sich selbst sein. Beide Mädchen finden auch Zuflucht in der Kioskliteratur, obwohl sie die Homosexualität wegen Zensur als moralisch schlecht darstellte. Beide Mädchen merken auch, dass Liebe nicht immer das ganze Leben lang dauert. Man ist nie komplett fertig mit sich selbst.

”She didn't have to have everything figured out yet. She could keep searching, for years if she needed to. Maybe forever." -S.349

 

Lied:

Laleh: Vänta

 

Alice Oseman: Loveless (2020)

Georgia war noch verliebt oder hat jemanden geküsst. Als sie zusammen mit ihren zwei besten Freunden ihr erstes Jahr an der Universität anfängt, möchte sie sich entfalten und ausprobieren. Aber ist romantische Liebe überhaupt etwas für Georgia? Das erste Studienjahr wird zu einer Reise, um ihr wahres Selbst zu finden und was sie eigentlich möchte.

In Loveless geht es um Asexualität (wenig bis auf keine sexuelle Anziehung spüren) und Aromantik (wenig bis auf gar keine romantische Anziehung spüren) - beide Begriffe, die in Medien nicht häufig vorkommen. Aus diesem Grund ist eine #ownvoices -Perspektive wichtig. Neben Asexualität und Aromantik hat das Buch eine sehr intersektionelle Repräsentation von Menschen mit unterschiedlicher Herkunft, Geschlecht und sexueller/romantischer Orientierung. Georgias Erfahrungen, Überlegungen und Unsicherheit sind sehr gut zu verstanden. Sie fühlt sich zuerst abnormal, aber akzeptiert langsam sich selbst und findet wichtige Menschen und Dinge in ihrem Leben. Das Buch zeigt auch die überwertete Stellung von romantischen und sexuellen Erfahrungen in der Gesellschaft. Nicht nur asexuelle oder aromantische Personen können sich in dieses Buch hineinversetzen.

"In the end, that was the problem with romance. It was so easy to romanticise romance because it was everywhere. It was in music and on TV and in filtered Instagram photos. It was in the air, crisp and alive with fresh possibility. It was in falling leaves, crumbling wooden doorways, scuffed cobblestones and fields of dandelions. It was in the touch of hands, scrawled letters, crumpled sheets and the golden hour. A soft yawn, early morning laughter, shoes lined up together by the door. Eyes across a dance floor.

   I could see it all, all the time, all around, but when I got closer, I found that nothing was there.

   A mirage."

 

Lied:

Eels: Love of the Loveless

 

Rosamond Lehmann: Dusty Answer (Mädchen auf der Suche/Dunkle Antwort) (1927)

Dusty Answer behandelt die Jugend, Freundschaften und Beziehungen von Judith, die einsam auf dem Land aufwächst. Die wichtigsten Menschen in ihrem Leben sind die Nachbarskinder, die sie sehr verherrlicht, aber die sie immer wieder verlassen. In College hat sie eine beste Freundin, Jennifer, mit der alles auch nicht ohne Probleme läuft. Langsam, nach mehreren Enttäuschungen, entwickelt sich Judith erwachsener und unabhängiger.

Rosamond Lehmann schrieb im gleichen Zeitalter wie Virginia Woolf und war auch mit ihr befreundet, aber ihr Schreibstil ist viel einfacher zu lesen. In dem Roman wird aber ähnlich die weibliche Sexualität sowie Homosexualität offener dargestellt als sonst damals. Der Schreibstil ist poetisch und symbolisch. Der Roman geht sehr psychologisch tief in seine Thematik und seine Figuren rein, von denen keiner einseitig ist. Besonders Judith ist sehr unsicher mit sich selbst und sehnt nach Anerkennung von anderen Menschen. Im Laufe der Geschichte merkt sie ihre Abhängigkeit von den anderen, die sie immer wieder verlassen, und findet langsam ihre Selbständigkeit.

"Oh, what a dusty answer gets a soul/ When hot for certainties in this our life!" - George Meredith

 

Lieder:

Carpenters: Goodbye to Love

Vanity Fair: Early in the morning

 

Sometimes you need to go far to see what’s near. Diskussionen über Kulturen und Menschenleben aus ethnologischer Perspektive, Nachsinnen über Kultur und Unterhaltung, Grübeln über gesellschaftliche Themen und tiefere Überlegungen über die Kompliziertheit und Einzigartigkeit des Lebens.

Die Radiosendung zum Nachhören

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Eine_Stimme_aus_der_Menge_09022022.mp3