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Hoch mit dem Klimaschutz, rauf auf die Räder!
Extremwetterlagen, Starkregen, Hochwasser. Naturereignisse, die sowieso auftreten, oder doch Folgen des menschengemachten Klimawandels?
Weil sich extreme Wetterschwankungen in den letzten Jahren häufen und immer mehr Gebiete aufgrund von Regenfällen unter Hochwasserkatastrophen leiden, lohnt es sich, zu verstehen, wie es überhaupt zu einem Starkregenereignis kommt. Dazu zitiere ich aus einem Bericht des Deutschen Wetterdienst (DWD) vom 23.9.2024, und wir schauen beispielhaft auf die Mittelmeerregion, die in den Herbst- und Wintermonaten immer wieder Opfer von extremen Starkregenereignissen mit teils katastrophalen Folgen wird.
So kam es zum Beispiel im Jahr 2021 am 4. Oktober rund um Genua zu einer Sturzflut mit Niederschlag zwischen 145 und 181 l/m² innerhalb von einer Stunde - der stärkste Regen, der bis dato in Italien gemessen wurde - innerhalb eines Tages kamen sogar mehr als 900 l/m² zusammen. Anfang September 2023 wurden in Griechenland 750 l/m² in 24h gemessen; und es gibt noch viele weitere Beispiele, die auch Südfrankreich und den Osten Spaniens betreffen. Man braucht nicht groß zu erörtern, dass solche Regenmassen verheerende Sturzfluten bzw. Überschwemmungen hervorrufen können. Als meteorologisch relevante Faktoren kommen in der Mittelmeerregion die großen, warmen Meeresoberflächen, die komplexe Topografie wie umliegende Gebirge und die herbstlichen Tiefdruckgebiete über dem Nordatlantik zusammen.
Einer der wichtigsten Gründe für Starkregen am Mittelmeer ist das warme Meerwasser umgeben von verschiedenen Gebirgen. Das bildet sozusagen den Nährboden dafür, dass sich überhaupt solche Wassermassen in den Wolken bilden, die dann abregnen. Im Bericht des DWD heißt es:
"Man kann sich rein visuell sehr gut vorstellen, wie eine feuchte Luftmasse entlang der Bergketten regelrecht ausgequetscht wird. Hierbei wird die Luftmasse gezwungen rasch aufzusteigen, sie kühlt sich ab und es bildet sich eifrig Niederschlag. Dabei profitiert der Niederschlagsprozess von der hochreichend warmen Luftmasse, die man rund ums Mittelmeer findet, sodass der sehr effektive Niederschlagsprozess für üppiges Tropfenwachstum mit teils extremen Regenraten sorgen kann. Hierbei verschmelzen Tröpfchen unterschiedlicher Größe und wachsen so lange an, bis sie ausfallen.
Als Feuchtezufuhr dienen nicht nur der Atlantik oder zeitweise auch die Innertropische Konvergenzzone, sondern natürlich auch die warme Meeresoberfläche, die [wichtig!] auch in diesem Jahr recht verbreitet positive Abweichungen der Oberflächentemperatur aufweist [sprich, relativ zu vorherigen Aufzeichnungen zu warm ist! RC].
Zumeist sind die größten Abweichungen der Temperatur nur auf die obersten Meter der Meeresoberfläche beschränkt (aktuell auf 10 bis 20 m Tiefe im westlichen Mittelmeer und 30 bis 40 m Tiefe im östlichen Mittelmeer) und können somit bei Tiefdruckpassagen und begleitendem Wind rasch abgebaut werden [also das Wasser kann abkühlen, RC]. Allerdings herrschen in diesem Jahr dank der anhaltenden Hitzewelle in Südeuropa auch in Tiefen von rund 100 m positive Temperaturabweichungen von teils mehr als 3 bis 4 Kelvin vor, was leider als ein gutes Polster für Starkregenereignisse in dieser Herbstsaison angesehen werden kann."
Kurz gesagt: Zu hohe Temperaturen im Meer und die globale Erderwärmung, sind der Nährboden für Starkregenereignisse und Hochwasserkatastrophen!
Dafür, dass es dann tatsächlich zu einem Unwetter kommt, braucht es noch meteorologische Trigger, wie z.B. ein starkes Bodentief, welches viel Feuchtigkeit erstmal in die passende Zone reinbringt, oder ein Höhentief, das kalte Luft über das warme Mittelmeer transportiert und dort für reichliche Verwirbelungen sorgt. Die Sturzflut in Genua und das Unwetter in Griechenland wurden durch starke und beständige Winde ausgelöst.
Natürlich sind Gewitter, Regen und auch Unwetter, Starkregen und Hagel Wetterereignisse, die immer wieder auftreten und die wir als solche wenig kontrollieren können. Aber: ohne eine zu warme Erdoberfläche würden diese Wetterereignisse weniger häufig auftreten und weniger dramatisch ausfallen.
Kurz gesagt: Hochwasserschutz ist in aller erster Linie auch Klimaschutz!
Die Extremwetterlagen und Unwetterereignisse, die wir in letzter Zeit gehäuft beobachten, weltweit, sind ein Zeichen für uns, die klimapolitischen Ziele ernstzunehmen und einen konsequenten Klimaschutz einzuforden.
Was steht dem entgegen? Wie wir wissen, ist es insbesondere der Verkehrssektor, der die Klimaziele der BRD und der EU immer wieder über Bord wirft. Laut Deutscher Umwelthilfe ist in der gesamten EU der Verkehr inkl. Luft- und Schiffsverkehr für rund ein Viertel der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Und weil der größte Teil der Emissionen aus dem Straßenverkehr kommt, ist eine Mobilitätswende unerläßlich. Wir brauchen bezahlbare kollektive Verkehrssysteme, aber auch mehr Rad- und Fußverkehr! Letzten Sonntag haben beim Aktionstag "Mobil ohne Auto" die 5000 Radler:innen auf der B28 zwischen Reutlingen und Tübingen ein starkes Zeichen für die Verkehrswende gesetzt. Um noch mehr Menschen auf's Rad zu bringen, muss aber auch im Alltag das Radfahren attraktiver werden.
Mobil ohne Auto am 22.9.: Die Kidical Mass aus Kusterdingen stößt in Jettenburg zur großen Raddemo auf der B28 dazu
Und damit möchte ich an dieser Stelle auf zwei aktuell laufende Befragungen zum Thema Verkehr und Klima hinweisen.
Das Tübinger Bündnis Tunnelstopp/Verkehrswende jetzt befragt die Tübinger:innen zum Schindhaubasistunnel, während der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club bundesweit danach fragt, wo das Radfahren angenehm ist und wo nicht. Schauen wir zuerst nach Tübingen:
Das Bündnis, das sich aus verkehrs- und klimapolitischen Gründen gegen den Bau des Schindhaubasistunnels einsetzt, stellt fest: "Für viele Bewohner der Südstadt ist offensichtlich, dass der Verkehr auf der B27 beruhigt werden muss und dass es bessere Fußgänger- und Radüberwege über die B27 geben muss. Seit mehreren Jahrzehnten wird ein Tunnel angekündigt, der das Problem lösen soll. Nach Angaben des Regierungspräsidium ist jedoch leider davon auszugehen, dass diese Lösung frühestens 2035 in Kraft treten wird." Das Bündnis Tunnelstopp/Verkehrswende jetzt führt noch bis zum 10. November 2024 eine Umfrage in den betroffenen Vierteln durch - also Südstadt, Derendingen, Französisches Viertel -, in der Meinungen zum Schindhaubasistunnel und Ideen für eine sichere und ruhigere B27 gesammelt werden. Das Bündnis fragt: "Wie stehen Sie zu dieser Planung? Sind sie zufrieden mit der jetzigen Situation? Was stört Sie? Wie beurteilen Sie alternative Vorschläge?" und ruft alle Anwohner_innen der B27 in Tübingen auf, sich an der Umfrage zu beteiligen. Mit der Umfrage möchte das Bündnis ein besseres Verständnis für die Situation und Ideen für mögliche Verbesserungen vor Ort gewinnen. Bis zum 10. November besteht die Möglichkeit, online teilzunehmen und einige Fragen zu beantworten. Bitte dran denken: Je mehr Menschen an der Umfrage teilnehmen, desto aussagekräftiger sind die Ergebnisse. Die Umfrage findet ihr im Internet unter https://fridaysforfuturetuebingen.de/UmfrageB27/
Parallel läuft unter dem Stichwort " Fahrrad-Klima-Test" noch bis zum 30. November 2024 die bundesweite Befragung seitens des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC). Fahrrad"Klima"Test - d.h., wo fährt sich's angenehm Fahrrad, wo ist es eher unfreundlich? Kommst du sicher und mit ausreichend Platz durch den Verkehr? Was klappt richtig gut oder was sollte unbedingt verbessert werden? Der ADFC-Fahrradklima-Test ist eine der größten Befragungen weltweit, um mehr über die Alltagserfahrungen von Radfahrer:innen zu erfahren. Die 27 Fragen drehen sich z.B. um Sicherheit und Komfort beim Radfahren, Radverkehrsinfrastruktur und Radverkehrsförderung. Das diesjährige Schwerpunktthema lautet „Miteinander im Verkehr“: das sind dann Fragen zur gegenseitigen Rücksichtnahme, zum Überholabstand oder zum Platzangebot für Radfahrende im Straßenraum.
Die Daten aus der Befragung geben Politik und Kommunen eine wichtige Orientierungshilfe, indem sie es z.B. ermöglichen, gezielte Maßnahmen zu ergreifen. Mit der Teilnahme an der Umfrage haben Radfahrend e di
e Möglichkeit, eine direkte Rückmeldung an die politischen Verantwortlichen zur Fahrradfreundlichkeit vor Ort zu geben. Super ist, dass die Umfrage nicht wohnortgebunden ist, sondern dass sich Bewertungen abgeben lassen für alle Orte, in denen man selbst tatsächlich mit dem Rad unterwegs ist. Dafür kann man einfach den Online-Fragebogen neu starten, und einen weiteren Ort eintragen. Man muss dann nur darauf achten, alle Angaben erneut vollständig auszufüllen.
Wichtig ist auch beim Fahrrad-Klima-Test, dass möglichst viele Menschen teilnehmen! Das erhöht nicht nur die Aussagekraft, sondern zeigt den Verantwortlichen dann auch ein breites Interesse an guter Radinfrastruktur. Der ADFC veröffentlicht während des Befragungszeitraums in regelmäßigen Abständen einen aktuellen Zwischenstand über die Teilnehmerzahlen aufgeschlüsselt nach Ort. Die Ergebnisse werden voraussichtlich im Frühjahr 2025 veröffentlicht. Auf der Webseite des ADFC kann man sie dann mit den Ergebnissen aus dem Jahr 2022 vergleichen, die sind auch aktuell online abrufbar.
Wer möchte, kann sich vom ADFC Infomaterial sowie Papier-Fragebögen zuschicken lassen. Wenn ihr zum Beispiel demnächst irgendwo einen Infostand zu Verkehr und Klima macht, wäre das eine Möglichkeit, weitere Bewertungen des Fahrradklimas vor Ort zu sammeln.
Ansonsten ist das einfachste, online an der Umfrage teilzunehmen: bis 30. November geht das auf der Webseite www.fkt.adfc.de.
Hoch mit dem Klimaschutz, rauf auf die Räder!
Und damit grüß Resonanz Con(tra)sens ganz besonders die Radaktivistis in Wien, die mit ihrer Aktion "Gürtelliebe" für bessere Radinfrastruktur und eine klimafreundliche Neuaufteilung der Verkehrsflächen in Wien demonstieren - in der Millionenstadt, die ganz aktuell mit den Folgen und Schäden des Hochwassers zu kämpfen hat, das viele Teile von Österreich, Polen, Tschechien und Rumänien gleichzeitig getroffen hat. Wiener und Wienerinnen: schnappt euer Rad und nehmt teil an der Gürtelliebe morgen am Samstag um 16 Uhr, am Tag vor eurer Nationalratswahl. Mehr Infos auf guertelliebe.at. Solidarische Grüße an die Gürtelliebe nach Wien!
System change not climate change!
Aktivist:innen der Gürtelliebe in Wien
Gruß aus Wien vom 14.9. kurz vor dem Hochwasser
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Starkregen: Hoch mit dem Klimaschutz, rauf auf die Räder! Beitrag von Resonanz Con(tra)sens
2024-09-27_Starkregen_und_Radverkehr_Umfragen.mp3
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