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IMI-Kongress 2018 :: Gegenkonversion
Der Sonntagmorgen drehte sich zweimal um das Thema „Gegenkonversion“, also die (Re-)Militarisierung von Flächen.
Den Auftakt zum Thema machte IMI-Vorstand Tobias Pflüger unter dem Titel „Freie Fahrt fürs Militär: Militärische Mobilität und das NATO-Logistikkommando in Ulm“. Als Verteidigungspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE im Bundestag verfügt er über Informationen aus erster Hand zur momentanen Aufrüstungspolitik. Das Thema Militärische Mobilität spiele im Bundestag momentan eine wichtige Rolle. Die Infrastruktur in den europäischen NATO-Staaten solle – wieder – für den reibungslosen Transport von Truppen und vor allem Gerät fit gemacht werden.
Auch die EU wirke daran mit. Im Rahmen der PESCO würden Verkehrswege auf ihre militärische Eignung überprüft und nun für schnelle Militärverlegungen nach Osteuropa ausgebaut. Tobias Pflüger meinte hierzu: „Ein Military Schengen und freie Fahrt fürs Militär während an den europäischen Außengrenzen täglich Menschen sterben? Das ist menschenverachtend und zynisch!“
Doch auch die Kommandostruktur der NATO werde ausgebaut. In Ulm werde momentan ein „Joint Support and Enabling Command“ (JSEC) der NATO aufgebaut. Im Falle eines Krieges wäre dieses direkt dem Oberbefehlshaber der NATO für Europa unterstellt. Tobias Pflüger betonte, dies würde Ulm bei einer Konfrontation mit Russland möglicherweise zu einem potenziellen Kriegsziel machen. Deutschland werde zunehmend zur militärischen Drehscheibe der NATO und der EU.
Den zweiten Vortrag zur „Gegenkonversion“ bestritt IMI-Beirat Alexander Kleiß. Er referierte zum Thema „Die militärische (Rück-)Eroberung der Fläche: (Re-)Aktivierung alter und neuer Liegenschaften“. Der Referent argumentierte, seit einigen Jahren sei ein neues Phänomen zu beobachten: Für die Aufrüstung des Militärs würden zunehmend neue Flächen benötigt. Während seit dem Ende des Kalten Krieges zahlreiche Militärgelände einer sinnvollen zivilen Nutzung zugeführt werden konnten, deute sich jetzt ein neuer Trend an, den er unter dem Begriff „Gegenkonversion“ fasste.
Dabei ließen sich drei verschiedene Formen identifizieren, die nicht immer klar abtrennbar seien: Erstens die Inbesitznahme ziviler Flächen durch das Militär, teilweise um den Verlust von (anderen) Flächen, die einer zivilen Nutzung zugeführt werden sollen, auszugleichen; Zweitens die Reaktivierung aufgegebener Flächen, Liegenschaften und Ressourcen; Drittens den Abbruch oder die Verzögerung eines Konversionsprozesses.
Der Versuch, den zivilen Segelflugplatz in Haiterbach in ein Militärgelände für Fallschirmabsprünge des Kommando Spezialkräfte (KSK) umzuwandeln, sei ein Beispiel für die erste Form von Gegenkonversion. Ein Beispiel für die Reaktivierung aufgegebener Flächen stelle die Carl-Schurz-Kaserne in Hardheim dar. Dort werde eine eigentlich aufgegebene und sogar bereits verkaufte Liegenschaft nun wieder durch eine Führungsunterstützungskompanie des KSK militärisch genutzt. Bald solle dort sogar ein neues Panzerbataillon aufgestellt werden.
Ein Beispiel für den Abbruch bzw. die Verzögerung eines Konversionsprozesses sei sc
hließlich die Verhinderung einer zivilen Nutzung der Bleidorn-Kaserne in Ulm, die für das dort neu entstehende NATO-Logistikkommando vorgehalten werde. Alexander Kleiß meinte abschließend: „Die militärisch genutzten Flächen sollten einer Konversion zugeführt werden. Dass nun hingegen zivile Flächen in Militärgelände umgewandelt sollen, stößt zu Recht auf Widerstand aus der Bevölkerung.“
Audio
Freie Fahrt fürs Militär: Militärische Mobilität und das NATO-Logistikkommando in Ulm
Panel_5_Vortrag_1_Tobias_Pflueger.mp3
Die militärische (Rück-)Eroberung der Fläche: (Re-)Aktivierung alter und neuer Liegenschaften
Panel_5_Vortrag_2_Alexander_Kleis.mp3