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IMI-Kongress 2018 :: Die EU auf dem Weg zur Rüstungsunion

Der 22. Kongress der Informationsstelle Militarisierung fand vom 7. bis 9. Dezember 2018 wie immer in Tübingen statt. Thema war Deutschlands Aufrüstung „auf allen Ebenen und an allen Fronten“. Neben dem steigenden Verteidigungshaushalt und Großprojekten aus der Rüstung wurde die intensivierte Aufrüstung auch in Bereichen der Polizei, der Forschung, der Infrastruktur und der Flächennutzung reflektiert. Im vierten Panel ging es um die EU auf dem Weg zur Rüstungsunion.

Das kurzfristig in das Hörsaalgebäude „Kupferbau“ verlegte Abendpanel „Die EU auf dem Weg zur Rüstungsunion“ eröffnete Jürgen Wagner, der argumentierte, die im Dezember 2017 aktivierte „Ständige Strukturierte Zusammenarbeit“ – englisch abgekürzt: „PESCO“ – werde aktuell als künftige Schaltzentrale der EU-Militärpolitik in Stellung gebracht.

Erstmals würde durch PESCO, an der sich derzeit 25 EU-Staaten beteiligen, das in der EU-Militärpolitik bisher geltende Konsensprinzip in wichtigen Teilen ausgehebelt. „Im PESCO-Rahmen kann künftig außerhalb von Militäreinsätzen nahezu jedes erdenkliche Rüstungsprojekt durchgeführt werden. Die Teilnehmer haben zwar auch in PESCO weiter ein Vetorecht was die Projektanbahnung anbelangt, mussten dafür aber zusagen, künftig eine Reihe von Rüstungskriterien zu erfüllen.“

Diese Kriterien würden u.a. die Verpflichtung zur Steigerung der Militärhaushalte und Rüstungsinvestitionen ebenso beinhalten, wie die Teilnahme an Maßnahmen, die den deutsch-französisch geführten Konzentrationsprozess der europäischen Rüstungsindustrie vorantreiben sollen. „Der Knackpunkt besteht darin, dass die Einhaltung dieser Rüstungskriterien künftig durch die EU-Verteidigungsagentur überprüft wird. Und sollte die zu dem Ergebnis gelangen, dass ein Staat nicht adäquat mitgerüstet hat, kann ein Land auf dieser Grundlage mit einem Mehrheitsbeschluss aus der PESCO hinausgeworfen werden.“

Versüßt werde das Ganze dann wiederum dadurch, so der IMI-Vorstand weiter, dass PESCO-Projekte künftig bevorzugt aus dem künftigen EU-Verteidigungsfonds subventioniert werden sollen, für den im nächsten EU-Haushalt bis zu 48,6 Mrd. Euro vorgesehen seien: „Bislang war eine Verwendung des EU-Haushalts für militärische Maßnahmen tabu, sollte dieses Verbot geschliffen werden, müssen wir uns im schlimmsten Fall daran gewöhnen, dass künftig zusätzlich zu den nationalen Haushalten auch über die EU-Ebene Milliardenbeträge in den Rüstungssektor gepumpt werden“, so Wagners abschließende Befürchtung.

Anschließend an den PESCO-Vortrag stellte IMI-Beirat Marius Pletsch die drei größten aktuellen europäischen Rüstungsprojekte vor. Das erste Beispiel, die Eurodrohne – oder auch MALE RPAS – sei erst im November 2018 in PESCO überführt worden und solle bis 2025 von Deutschland – hier Führungsnation – sowie Frankreich, Italien, Spanien und der Tschechischen Republik entwickelt werden.

Bis zu 30 % der Kosten für die Entwicklung könnten aufgrund der Überführung in PESCO vom Europäischen Rüstungsfonds übernommen werden. Deutschland plane, 21 Drohnen zu beschaffen, Italien und Spanien je 15 und Frankreich 12. Bei den anderen beiden Großprojekten sind bislang lediglich Deutschland und Frankreich beteiligt, auf diese einigte man sich beim Ministerratstreffen der beiden Staaten im Juli 2017 und bekräftigte die Vorhaben bei einem kleinen Ministerratstreffen im Juni 2018 nochmals: Zum einen den nächsten Kampfpanzer – das Main Ground Combat System (MGCS) –, der für Deutschland den Leopard 2 und für Frankreich den Leclerc ersetzen soll.

Das System solle nicht nur aus dem Kampfpanzer selbst, sondern auch aus unbemannten Subsystemen bestehen. Deutschland hat bei diesem Projekt, das nicht vor 2035 eingeführt werden soll, die Führung übernommen. Zum zweiten sei die nächste Generation eines Kampfflugzeugs (FCAS) mitsamt Satellitenkommunikation, Begleitdrohnen(schwärmen) und Tankflugzeugen zu nennen. Für dieses Projekt zeige sich Frankreich hauptverantwortlich, es solle vermutlich ab 2040 in die Streitkräfte integriert werden.

Laut Handelsblatt würde mit Umsätzen für die beiden letztgenannten Projekte von 100 Mrd. € für das MGCS und 500 Mrd. für das FCAS bis 2040 gerechnet. Strittig seien zwischen Deutschland und Frankreich die Punkte der Beteiligung weiterer Staaten und die Exportfrage. Ob sich die Projekte, gerade unter deutsch-französischer Dominanz eignen, die EU zu einen, dürfe beim nationalen Interesse, die jeweils eigenen Rüstungsindustrien fördern zu wollen, bezweifelt werden, so Pletsch.


Audio

Pesco als EU-Rüstungstreiber

Download (71,29 MB)
Panel_4_Vortrag_1_Juergen_Wagner.mp3


Europäische Großprojekte: Eurodrohne, Kampfpanzer, Kampfflugzeug

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Panel_4_Vortrag_2_Marius_Pletsch.mp3





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