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Globales Lernen On Air

Januar 2021 offen


Beiträge & Artikel

Auf (post-)kolonialen Spuren in Reutlingen

Kafalo Sékongo und Rebekka Schön von der Initiative "Auf (post-)kolonialen Spuren in Reutlingen" waren am 23.11.2022 zu Gast bei Globales Lernen on air

1.Runde
Kafalo Sékongo und Rebekka Schön stellen sich und ihre Initiative "Auf (post-)kolonialen Spuren in Reutlingen" vor. Beide sind dort als Stadtführer*innen aktiv. Sie erzählen davon wie sie dazu gekommen sind, sich mit kolonialen Spuren, die bis heute reichen zu beschäftigen und sie in Reutlingen sichtbar zu machen. Rebekka Schön hat Interkulturelle Bildung, Migration und Mehrsprachigkeit studiert und koordiniert derzeit das Projekt "Auf (post-)kolonialen Spuren in Reutlingen" beim EPiZ (Entwicklungspädagogischen Informationszentrum). Derzeit ist das Projekt aus dem Aktionsfonds "Partnerschaft für Demokratie Reutlingen" finanziert. Kafalo Sékongo beschreibt, wie seine persönliche Geschichte stark mit kolonialen Kontinuitäten verknüpft ist, da er aus dem westafrikanischen Land Côte d’Ivoire kommt. Heute ist er im EPiZ als Fachpromotor für Internationale Bildungspartnerschaften und im Bereich der politischen Bildung und des Globalen Lernens aktiv. Im Gespräch mit Marieke Kodweiß beantworten sie Fragen zu: Was bedeutet Postkolonialismus? Was hat das mit uns heute zu tun? Welche Fragen begegnen uns auf dem Rundgang? Der erste Gesprächsblock endet mit dem Song Assini-Mafia von Alpha Blondy.

2.Runde
Das EPiZ konnte 2021 die Initiative für einen (post-)kolonialen Stadtrundgang mit Unterstützung aus dem Programm "Bildung trifft Entwicklung" und dem Aktionsfonds "Partnerschaft für Demokratie Reutlingen" starten. Zunächst wurde viel im Stadtarchiv und dem Heimatmuseum recherchiert. Da das Thema auf viel Anklang und Interesse gestoßen ist, wurde ein Werkstattrundgang entwickelt, der bereits schon unterschiedlichen Gruppen angeboten werden konnte. Interessierte Gruppen, z.B. Schulklassen können sich beim EPiZ für einen Rundgang von 1,5-2 Stunden mit 5-8 Stationen anmelden. Die Teilnehmer*innen sind aktiv beim Rundgang beteiligt.

Der (post-)koloniale Stadtrundgang macht Kolonialgeschichte und koloniale Kontinuitäten in Reutlingen sichtbar. Startpunkt ist das Bismarck-Denkmal in der Planie und schlägt den Bogen zu deutschen Kolonien und zur Kongo-Konferenz 1884/1885 auf der die Modalitäten für die anschließende Aufteilung des afrikanischen Kontinents unter den Kolonialmächten festgelegt wurden, deren Grenzen bis heute gelten, bei der aber keine Vertreter*innen des afrikanischen Kontinents anwesend waren. Die Erfahrung zeigt, dass wenige Menschen darüber etwas wissen und die Verantwortung eher bei anderen europäischen Ländern sehen. Der Stadtrundgang kann dabei unterstützen, dass dieser Teil der Geschichte nicht in Vergessenheit gerät und aufzeigen, dass Bilder in den Köpfen der Menschen und Rassismus damit verbunden sind. Andererseits gibt es in der deutschen Gesellschaft viele diverse Perspektiven, die mit den Folgen des Kolonialismus bis heute konfrontiert sind und sich mit Diskriminierungen auseinander setzen müssen. Insofern ist auch Reutlingen nicht allein - in jeder deutschen Stadt ließen sich entsprechende Spuren finden. Oftmals werden Akteure der Kolonialzeit im öffentlichen Raum geehrt ohne dass kritisch z.B. auf deren Rolle im Bezug auf die Reproduktion von Rassismus und Diskriminierung eingegangen wird.
Weitere Stationen sind das Technikum für Textilindustrie, der Standort eines ehemaligen Kolonialwarenladens am Albtorplatz und das List-Gymnasium. An diesen Stationen werden unter anderem die Themen wirtschaftliche Zusammenhänge, globaler Handel, rassistische Werbung früher und heute, Rolle des Wissens und der Wissenschaft im (Post-)Kolonialismus angesprochen. Insgesamt soll der Rundgang dazu anregen das eigene Wissen, die eigene Geschichte und den eigenen Standpunkt zu hinterfragen. Der zweite Block endet mit dem Song "Platz an der Sonne" der Black Superman Group.

3.Runde
Eine weitere Station des Rundgangs ist das Kulturzentrum franz.k, das früher ein Offizierskasino war. In der französischen Besatzungszeit waren u.a. Soldaten aus den französischen Kolonien Marokko und Algerien in Reutlingen stationiert. An der Station geht der Rundgang auf deren Lebensrealitäten und Diskriminierungserfahrungen ein und schlägt den Bogen zu Lebensrealtiäten von BiPOC (s.u.) heute. Im Weiteren geht es um verschiedene Akteure, die in der Kolonialzeit in Reutlingen eine Rolle gespielt haben und verschiedene Themen, z.B. der Widerstand gegen die deutsche Kolonialmacht im heutigen Namibia und der Umgang mit Geschichte und Verantwortung für die Menschenrechtsverletzungen, die stattgefunden haben. Zum Thema Gesellschaft werden des Weiteren Beispiele aufgezeigt, wie breit das koloniale Gedankengut in der Bevölkerung verankert war, z.B. griffen Gesellschaftsspiele, Literatur und Veranstaltungen Ansichten und Entwicklungen des Kolonialismus auf. An dieser Stelle können wir uns fragen, was auch heute unsere Weltansichten beeinflusst. Zum Abschluss geht der Rundgang an der Stadthalle auf aktuelle Widerstandsbewegungen wie "Black lives matter" ein. Hier kann das eigene Handeln und die Möglichkeiten gegen koloniale Kontinuitäten und Rassismus aktiv zu werden thematisiert werden. Dazu gehört auch die Handlungsmöglichkeit aufzuzeigen, sich durch ein bewusstes Konsumverhalten gegen die weiterhin wirkenden wirtschaftlichen Abhängigkeiten des Globalen Südens vom Globalen Norden und die anhaltende Ausbeutung durch transnationale Konzerne zu positionieren.


Globales Lernen und Dekolonialität werden im Rundgang zusammengebracht: Wichtig ist der direkte Austausch mit den Teilnehmer*innen, z.B. mit Quizfragen, Diskussionsfragen und Positionierungsspielen. Ziel des Rundgangs ist es ins Gespräch darüber zu kommen, dass die Vergangenheit bis heute wirkt und Menschen unterschiedlich von Diskriminierungen betroffen sind. Kafalo Sékongo zeigt an einem Beispiel auf, dass viele Menschen unreflektiert an Stereotypen z.B. über Menschen mit afrikanischen Wurzeln festhalten und nicht verstehen oder erkennen, dass die Diskriminierungen und Rassismen bei Menschen Verletzungen erzeugen. Bildungsarbeit kann hier einen Beitrag leisten um dies sichtbar und spürbar zu machen. Die Stadtrundgänge werden von freiberuflichen Referent*innen geführt, die im Bereich der Diskriminierungssensibilität ausgebildet sind und persönliche Erfahrungen aus Ländern des Globalen Südens mitbringen, um einen Perspektivwechsel zu ermöglichen. So können Wahrnehmungen hinterfragt werden. Wenn insbesondere weiß positionierte Menschen den Rundgang leiten, kann das eine andere Resonanz haben, als wenn BiPOC (s.u.) davon sprechen, so Sékongo. Sie zeigen damit ihre Verbindung, ihre Beziehung und ihre Position zu dem Kampf betroffener Menschen auf.

Die Rundgänge können Türöffner sein, Menschen kommen aus unterschiedlichen Perspektiven miteinander und vor Ort ins Gespräch. Die Reutlinger Initiative ist darüber hinaus auch mit anderen Rundgängen in anderen Städten, z.B. in Augsburg und Hamburg vernetzt und ist erfreut darüber, dass es zum Thema Dekolonialität und Kolonialgeschichte mehr Bewegung gibt. Der Rundgang versteht sich weiterhin als Werkstatt-Rundgang - neue Themen, neue Perspektiven und Formate könnten noch ergänzt werden. Der dritte Block endet mit dem aktuellen Hit "Donnez-nous un peu" von Roseline Layo aus der Côte d’Ivoire.

Weitere Informationen zu dem Rundgang und Kontaktdaten gibt es auf der Website des EPiZ
https://www.epiz.de/de/projekte/post-kolonialer-stadtrundgang/

Die Abkürzung BIPoC steht für Black, Indigenous and People of Color (auf deutsch: Schwarze und Indigene Menschen und People of Color). Es handelt sich um eine politische Selbstbezeichnung von Menschen, die Rassismuserfahrung machen. (Quix, 2016: https://www.quixkollektiv.org/glossar)


Audio

Download (15,43 MB)
20221123_PostkolonialerStadtrundgang_Teil1.mp3


Download (26,99 MB)
20221123_PostkolonialerStadtrundgang_Teil2.mp3


Download (27,97 MB)
20221123_PostkolonialerStadtrundgang_Teil3.mp3





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