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Januar 2020 April 2021


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BePart :: Porträt von Ahmad Arafa

"Der erste Artikel des Grundgesetzes in Deutschland lautet: "Die Würde des Menschen ist unantastbar". Das habe ich unterschrieben, als ich mich einbürgern lassen habe. Ich nehme das ernst, weil es mich mit Deutschland verbindet. Diese Prinzipien und Ideen sind die Essenz von dem, was Demokratie leben bedeutet, die Essenz von Deutschland nach dem Weltkrieg. Für mich ist das wichtig. Das hat eine sehr große Bedeutung. Es ist nicht selbstverständlich. Es kann sich auch ändern."

Ahmad Arafa kommt aus Ägypten und ist bereits zehn Jahre in Deutschland. Er arbeitet hier als Apotheker, ist Mitglied des Integrationsrats und ist bei den Initiativen Seebrücke und Black Visions and Voices aktiv. Ahmad hat in Ägypten Pharmazie studiert, wollte sich dann aber im Ausland weiterbilden, um neue Kulturen kennenzulernen, mehr Erfahrung von der Welt zu bekommen und sein Horizont zu erweitern. Deswegen ist er nach Tübingen gekommen und hat dort ein Studium in Sprachen, Geschichte und Kulturen des Nahen Ostens und Mediävistik angefangen. Ein weiterer Grund für seine Migration nach Europa waren die politischen Spannungen, die seit 2005 in Ägypten herrschen. 

In seiner Funktion beim Integrationsrat findet es Ahmad wichtig, die Gemeinderatsmitglieder zu beraten. Er will, dass die Stimme der MigrantInnen und Geflüchteten des Integrationsrats in die Kommunalpolitik einfließt und wirklich was verändert. Sein langfristiges Ziel ist aber, dass in unserer Gesellschaft gar kein Integrationrat mehr notwendig ist. Dafür muss das Konzept der Integration verändert werden. Das soll laut Ahmad ein zweiseitiger Prozess sein:  es ist nicht nur die Rolle des Migranten sich zu integrieren, sondern die Mehrheitsgesellschaft hat auch die Aufgabe ihn zu akzeptieren, als vollständiger Mensch mit eigenen Gedanken und Gefühlen. Für Ahmad ist das bei Weitem nicht erreicht. Viele Menschen die schon seit 20/30 Jahren in den Deutschland sind, werden immer noch nicht als Deutsch wahrgenommen. Dann ist die Frage: was bedeutet Deutsch sein? "Deutsch sein hat zu tun mit der Bundesrepublik Deutschland und ist keine Frage vom Blut oder der Rasse", betont Ahmad. Viele Menschen die hier sind, fühlen sich diskriminiert, fühlen sich nicht repräsiert in der Politik, engagieren sich nicht im politischen Leben und fordern nicht ihre Rechte ein. Ahmads Ziel ist das zu ändern. Er möchte Menschen politisieren. "Ich kann nicht die Welt ändern, aber ich kann meine Straße ändern, ich kann meine Stadt ändern und das finde ich wichtig", sagt Ahmad.

Mit der Seebrücke hat Ahmad sich unter Anderem darum gekümmert, dass Menschen auf Lesbos Masken und medizinische Versorgung bekommen. Bei Black Visons and Voices thematisiert er mit Anderen den strukturellen Rassismus sowie den Alltagsrassismus in Tübingen und in Deutschland. Die Gruppe beschäftigt sich auch mit Kolonialismus, Polizeigewalt, Racial Profiling und vor allem damit, was es bedeutet Schwarz zu sein. Sein Engagement in beiden Initiativen ist ehrenamtlich und das würde er von seiner Funktion als Integrationsratmitglied trennen. Was aber beides verbindet ist, wie Menschen gesehen werden, wie über Menschen diskutiert wird, die Frage wer kommen darf und wer nicht. Im Zusammenhang mit diesen Themen beschreibt sich Ahmad selbst als Idealist und findet es wichtig, seinen Prinzipien treu zu bleiben, zum Beispiel für die Würde des Menschens, die Freiheit und die Demokratie zu kämpfen. 

Die Situation in Moria beurteilt Ahmad anders als andere Menschen in der Politik, da er aus Ägypten kommt und einen anderen Hintergrung mit sich bringt. Er sieht sie im Zusammenhang mit der internationalen Politik, mit Krieg, mit Waffenexport und mit den Grenzen Europas. Andere Menschen bewerten die Situation nur auf der lokalen Ebene und stellen sich Fragen wie zum Beispiel: wie viele Menschen können aufgenommen werden, wer darf kommen, wer nicht? Die Lücke zwischen den unterschiedlichen Perspektiven und Hintergründen sollte, laut Ahmad, gefüllt werden. Um den Menschen vor Ort konkret zu helfen, kann man sich an Vereine wie die Seebrücke wenden und sich engagieren. Wichtig ist es, auf allen Ebenen aktiv zu werden und die aktuelle politische Antwort auf die Situation in Moria zu hinterfragen. "Deutschland muss anders handeln", betont Ahmad. 

Das Interview führte Mohammad Nazir Momand für das Projekt BePart.fm.


Audio

Download (34,51 MB)
Interview_mit_Ahmad_Arafa.mp3





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