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Einrichtungsverbund DORNAHOF :: Alexandra Freund-Gobs und Dieter Blechert im Interview

Anlässlich des 140jährigen Jubiläums des Einrichtungsverbundes DORNAHOF - einem weit verzweigten Sozialunternehmen, das in sozialen Notlagen hilft - berichten die Mitarbeiter_innen Alexandra Freund-Gobs (Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit) und Dieter Blechert (Sozialpädagoge) über dessen Hilfsangebote, sowie Aufgaben- und Einsatzbereiche.

Der Einrichtungsverbund DORNAHOF ist ein Sozialunternehmen aus dem Diakonieverbund DORNAHOF & Erlacher Höhe e.V. Auf Initiative des Stuttgarter Redakteurs Eduard Elden wurde der DORNAHOF 1883 als eine landwirtschaftlich ausgerichtete Arbeiterkolonie für Wanderarbeiter in Altshausen (Oberschwaben) gegründet. Innerhalb der letzten 140 Jahre habe der DORNAHOF einen enormen Wandel erfahren. Bis heute entwickelte sich das Sozialunternehmen mit 12 unterschiedlichen Standorten und 450 Beschäftigten zu einem Unternehmen mit diversen sozialen Angeboten, beschreibt Freund-Gobs. So gäbe es beispielsweise Angebote für Menschen mit Hilfebedarf im ambulanten oder stationären Bereich sowie für Menschen, die auf Arbeitssuche seien. Generell richte der DORNAHOF seine Angebote an Menschen mit unterschiedlichem Teilhabebedarf, etwa an Menschen mit Behinderung, an sozial ausgegrenzte Menschen und Menschen, die auf Begleitung angewiesen seien. Finanziert wird der Einrichtungsverbund DORNAHOF über Spenden, Fördergelder und staatliche Subventionen.

Infolge der Gründung der DORNAHOF Integrationsbetriebe gGmbH bietet das Unternehmen seit 2002 zusätzlich verschiedene Dienstleistungen an. Innerhalb der Speisenversorgung werden täglich 4000 Mahlzeiten an Schulen, Kitas, diverse Mensastandorte und Privathaushalte ausgeliefert. Gekocht werde in den Großküchen Riedlingen und Althausen. Des Weiteren beschäftige die gGmbH Menschen im Bereich CNC Präzisionstechnik zur Herstellung von Maschinenbauteilen, in Montage- und Verpackungswerkstätten, in Hofläden und Gärtnereien sowie im Wäscherei- und Reinigungsservice. Hier fänden Mitarbeiter_innen, die auf dem 1. Arbeitsmarkt chancenlos seien, gute Jobs. Darüber hinaus würden sie sozialversicherungspflichtig angestellt.

Die Wohnungsnotfallhilfe ist eine weitere wichtige soziale Einrichtung des DORNAHOFes. Der Sozialpädagoge Dieter Blechert hilft Betroffenen in ihren Notlagen seit 1999. Das Männerwohnheim des DORNAHOFes in der Eberhardstraße 53 betreue er seit 2015. Unter anderem böte er dort Basisangebote nach § 67 SGB 12 für Menschen in besonderen Lebenslagen mit sozialen Schwierigkeiten an. Dementsprechend berate er Menschen in der Fachberatungsstelle. Außerdem kümmere sich Blechert sowohl um das Aufnahmehaus und die Tagesstätten als auch um das Ambulant Betreute Wohnen. Aufnahmehäuser gäbe es sowohl für Männer als auch für Frauen. Das Männerwohnheim in der Eberhardstraße 53 in Tübingen ist die größte Obdachlosenunterkunft in der Stadt. Das 2019 renovierte Haus mit seinem auffälligen Sgraffito an der Außenfassade verfüge über 62 Einzelzimmer, mit einer Größe von 10-18 qm. Alle Zimmer seien belegt. Etwa 20 Männer wohnten hier über eine Einweisungsverfügung von der Obdachlosenbehörde und besäßen Mietverträge zum Dauerwohnen. Insgesamt sei der Bedarf sehr hoch.

Aufnahmehäuser existierten beim DORNAHOF seit 1967, in denen Menschen in besonderer Notlage für 3 bis 12 Monate unterkommen können. Die Angebote für Klienten seien demnach befristet. Menschen, die hierher kämen, seien oft drogenabhängig, litten unter Suchterkrankungen oder psychische Beschwerden. Das Aufnahmehaus solle ein Platz zum Wohlfühlen sein, in dem Menschen Stabilität und Sicherheit erfahren können. Hierfür seien ein entsprechendes Maß an Ordnung und Struktur essentiell. Leider seien Anschlusswohnräume in Tübingen kaum zu finden. Blechert verweist ebenfalls auf Notunterkünfte und Kleiderkammern, welche durch Fördervereine finanziert seien. Auch regelmäßige Arztbesuche würden durch Fördervereine ermöglicht. Klienten ohne Krankenversicherung oder Ausweis können daher am Di zwischen 14-16 Uhr, ohne Termin eine psychiatrische oder allgemeinmedizinische Sprechstunde in der Eberhardstraße 53 aufsuchen. Hier praktizierten Ärzte ehrenamtlich. Das Angebot würde vor allem von Obdachlosen und Suchtkranken wahrgenommen.

Alexandra Freund-Gobs, die seit 6 Jahren für den Einrichtungsverbund DORNAHOF im Bereich Öffentlichkeitsarbeit und Medienaufbereitung tätig ist, berichtet von den Veränderungen in der Obdachlosenbetreuung in Tübingen seit 1953. Obdachlose, - anfänglich als Nichtsesshafte bezeichnet - können beispielsweise als Durchreisende seit 1994 über die Wohnungslosenhilfe, Auszahlungen über das Sozialamt beziehen. Unterstützungszentren in Form von Tagesstätten böten seit 1999 für Männer und Frauen mit fehlender Tagesstruktur einen Begegnungsraum. Im Hauscafé können Menschen zusammenkommen, verweilen, sich austauschen, frühstücken und Abendbrot essen. Darüber hinaus könne mensch hier Zeitung lesen, das kostenlose W-LAN nutzen, Wäsche waschen und sich in Fachberatungsstellen beraten lassen. Klienten können überdies eine Ausstattungshilfe in Anspruch nehmen.

Für Frauen gäbe es seit 2014/2015 im Landkreis/ Stadt Tübingen besondere Angebote. Nur ca. 20-25% der Frauen nähmen die Angebote der Wohnungslosenhilfe in Anspruch. Diesen falle es oft schwer, ungute Beziehungen zu verlassen. Ihre Themen seien schambesetzt und ein Ausbruch gelänge nicht so schnell, stellt Freund-Gobs uns gegenüber im Interview fest. Frauen seien eher stille TeilhaberInnen, die einen speziellen Schutzraum benötigten, der für sie geschaffen werden müsse.

Mithilfe von Flyern, Anzeigen, Jahresberichten und Pressetexten wirbt Freund-Gobs für Veranstaltungen, Angebote und das Tätigkeitsspektrum des DORNAHOFeS. Dabei möchte sie der Öffentlichkeit das Was, Wie und Warum nahebringen und Informationen über die Situation des DORNAHOFes in der Gesellschaft verankern. Gleichzeitig informiert sie mit ihren Texten Aufsuchende über Hilfen. Außerdem pflegt sie Kontakt mit dem Jobcenter bzw. Sozialämtern, denen sie aktuelle ambulante Angebote mitteilt und sie formuliert Anträge für den Europäischen Sozialfond.

Doch wer nimmt die Hilfen des DORNAHOFEes in Anspruch? Welche Schicksale verbergen sich hinter den Klienten? Die Angebote würden von vielen Menschen wahrgenommen. Es seien Menschen mit sehr unterschiedlicher Persönlichkeitsstruktur, die in einer Leistungsgesellschaft nicht zurecht kämen, berichtet Freund-Gobs. Die Menschen seien vielfältig und jede Biographie habe eine andere Entwicklung genommen. Der Sozialpädagoge Dieter Blechert fügt hinzu, dass speziell die Übergänge von Schule zur Ausbildung und wiederum von der Ausbildung ins Arbeitsleben für einige Menschen herausfordernd bzw. nicht zu bewältigen seien. Eine Arbeit zu haben, bedeute grundsätzlich, am Leben zu partizipieren und böte den Klienten eine Tagesstruktur. Die Mitarbeiter_innen des DORNAHOFes würden sie unter anderem dabei unterstützten, ihre Miete zu zahlen und ihre Beiträge an die Stadtwerke abzuführen. Damit ein kurz- oder langfristiger Drehtüreffekt vermieden werden könne, brauche es eine weiterführende Betreuung. Grundsätzlich verbringt Dieter Blechert viel Zeit mit seinen Klienten, weil eine gute Kontaktpflege wesentlich sei. Die Zusammenarbeit eines großen Netzwerkes in der Form von unterschiedlichen Fachbereichen (psychische Institutssprechstunde, Suchttherapie und Ärzten) trage dazu bei, das Ziel, die Lebenssituation von Menschen zu stabilisieren, erfolgreich umzusetzen.

Pandemien wie Corona können dieser Zielsetzung entgegen stehen, da sich viele Angestellte mit Kurzarbeit konfrontiert sahen. Die soziale Ausgrenzung habe zugenommen und eine verbindliche Tagesstruktur sei verloren gegangen. Der Mehrheit der Klienten sei es schwergefallen, damit klar zu kommen. Zusätzlich beklagte der DORNAHOF fehlende Kundeneinnahmen beispielsweise durch die wegfallende Speisenversorgung.

Nichtsdestotrotz betrachte sich der DORNAHOF als Einrichtung, die allen Menschen mit einem Problem, helfen wolle. In diesem Zusammenhang seien zusätzlich sowohl die Familienhilfe als auch die Flüchtlingshilfe erwähnt.

Im Wesentlichen möchte der Einrichtungsverbund DORNAHOF einen vorurteilsfreien Raum für Menschen in Notlagen schaffen und wertvolle Begegnungen für die gesamte Gesellschaft ermöglichen.


Audio

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Interview_Dornahof.mp3





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