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Invisibles :: Spanisches Filmfestival 2021

Wie betrachten Frauen heutzutage ihr Leben? Und wie kommunizieren sie über ihre Probleme mit guten Freundinnen? Der spanische Film „Invisibles“ von Gracia Querejeta gibt einen Einblick in die privaten Gespräche und Sorgen von fünfzigjährigen Frauen.

Jede Woche am Donnerstag treffen sich drei Freundinnen im mittleren Alter - Julia, Elsa und Amelia – im Park zum Spazieren. Statt Fitness dienen die Treffen aber eher zur gemeinsamen Verarbeitung von Alltagsproblemen und Sorgen. Julia ist eine verbitterte Lehrerin, die ihre Schüler*innen und ihren Ehemann nicht mehr leiden kann. Elsa ist an die Eroberung von Männern so gewöhnt, dass sie das Verhalten ihres Chefs als Flirten interpretiert und sich an ihn heranmacht. Aus Angst vor Einsamkeit duldet Amelia die schwierige Tochter ihres Freundes. Während des Frühlings entwickeln sich ihre Geschichten immer weiter. Es kommt zu Diskussionen über Gott und Welt, zum Streit über unterschiedliche Meinungen und zu überraschenden Handlungswenden.

„Invisibles“ wurde am Freitag, 3.12, um 20.30 Uhr im Kino Atelier gezeigt. Es gehört zum Spanischen Filmfestival Cine Español, das bis zum 8. Dezember läuft. Trotz des spanischen Hintergrunds könnte die Konstellation im “Invisibles” zumindestens auf die meisten europäischen Frauen aus der Mittelschicht übertragen werden. So ähnlich sind die Überlegungen über Sexualität und Beziehungen, über gläserne Decken und nervige Jugendliche: „Teenagers sind ein Scheiß-Ozean von Problemen“, meint Julia. Über den Sinn des Lebens wird nicht geredet, sondern eher über Alltagsprobleme. Trotzdem dreht es sich viel um die Selbstverteidigung statt Unterwerfung, ein beliebtes Thema im Feminismus. Dabei ist der Film quasi von Frauen für Frauen gemacht worden.

"Invisibles” unterscheidet sich sehr von Mainstream-Filmen. Erstens besteht er nur aus Dialog und die Gespräche laufen sehr schnell weiter und wechseln plötzlich zu einem anderen Thema. Er ist nicht zu dramatisiert, sondern Zuschauer*innen hören erfrischend realistische Alltagsgespräche. Zweitens gibt es im Film kaum andere Figuren, und diese wenigen kommen nur in einzelnen Szenen vor. Das Rampenlicht zeigt also die drei Frauen gegen den Rest der Welt. Als Schauplatz dient der große Park, der im Laufe des Frühlings immer schöner blüht. Trotz ein paar witziger Anmerkungen ist aber der Film melancholisch, von Zeit zu Zeit sogar tragisch.

In „Invisibles“ werden die verschiedenen Charaktere und Umgangsstrategien der Frauen deutlich. Julia spielt zynisch, um über ihre Kummer vor ihren Freundinnen zu verschweigen. Tief schämt sie sich über ihr passives Verhalten gegenüber ihren Schüler*innen, was im Laufe des Films ein tragisches Ereignis verursacht. Auch Elsa versucht, sich selbstsicherer darzustellen als sie eigentlich ist. Und Amelia ruft ständig eine Freundin mit Depression an, um sich selbst besser zu fühlen. Als Zuschauer*in ist man sich nie sicher, wer von ihnen die Wahrheit spricht. Man erfährt nur so viel, wie sie einander von sich erzählen. Keiner von ihnen ist perfekt und keiner findet am Ende eine perfekte Lösung für ihre Probleme. Das abrupte Ende lässt vieles offen, aber zumindestens hat sich ihre Freundschaft einigermaßen verfestigt.

Tief drinnen steckt sich in „Invisibles“ das Gefühl von Alterung und Unsichtbarkeit. Julia, Elsa und Amelia haben alle auf unterschiedliche Weisen Angst vor Einsamkeit und Ablehnung. In der Verfilmung fehlt ein bisschen Tiefe und eine deutliche Entwicklung, aber der Film ist eine realistische Momentaufnahme aus dem Leben drei Frauen.


Audio

Der Radiobeitrag zum Nachhören

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Rezension_Invisibles_fertig.mp3





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