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Ahmad Mansour :: Der arabisch-israelische Psychologe über Radiklisierung, Rassismus, Integration und Vieles mehr

Vor Kurzem konnte man den in Berlin lebenden arabisch-israelischen Psychologe und Autor Ahmad Mansour in Tübingen mit seinem neuen Buch "Solidarisch sein! Gegen Rassismus, Antisemitismus und Hass" erleben. Von Rassismus und Radikalisierungsgefahren über Antisemitismus in der Islamischen Gesellschaft bis hin zu Fremdenfeindlichkeit, Vorurteilen und Integration begeistert Mansour mit herausragender Expertise im sozial-psychologischen Bereich, sowie mit seinen Projekten in Schulen, Gefängnissen und Vielen mehr.

Mit interessanten Gedankenansätze und Erklärungen zu sozialen und rassistischen Problemen in unserer Gesellschaft bietet Mansour in seinem Vortrag einige Einblicke in sein neues Buch. Mit abschließender Fragerunde und Buchverkauf mit Signierstunde endet die Lesung. 

Ahmad Mansour erzählt, dass sein neues Buch - anders als normalerweise- innerhalb von kurzer Zeit erschienen ist und der eigentliche Schreibprozess nur zwei Monate ging. Am Tag nach dem Anschlag in Hanau im Februar 2020 gab Mansour einen Workshop in einer Schule in Berlin Wedding, in der die Mehrheit der Schüler*innen Migrationshintergrund besaßen. Für Ahmad Mansour war klar, dass man den Vorfall vom Vortag nicht verschweigen darf und er überlegte sich, wie er sein Programm an die Situation anpassen kann. Er stellte aber fest, dass die Schule ihren Normalbetrieb weiterführte und keine Notwendigkeit darin sah, mit den Schüler*innen diesen rassistisch  motivierten Anschlag aufzubereiten, was Mansour nicht nachvollziehen konnte. Als er dann in die Klasse kam, erlebte er die Schüler*innen abweisend und emotionslos. Er sprach dann mit der Klasse über ihre Gefühle und wie es ihnen damit geht, und „es war wie ein Vulkan, der aus ihnen heraussprudelte“. Auf dem Nachhauseweg von diesem Workshop entschied sich Ahmad Mansour dazu, das Buch zu schreiben

Zu Ahmad Mansours Arbeit gehört auch, in Gefängnissen mit verurteilen Terrorist*innen zu arbeiten, sie anzuhören, und auch dort Begegnung zu schaffen. So erzählt er von einer Situation, in der er einen Anti-Radikalisierungs-Workshop im Gefängnis gegeben hat und einen verurteilen Islamisten und einen Rechtsradikalen gegenüber stellte. Jeder hat in dem jeweils anderen anfangs die größere Bedrohung und natürlich einen Feind gesehen. Interessanterweise stellten sie am Ende des Workshops aber fest, dass sie in sehr vielen Ansichten Gemeinsamkeiten haben, nämlich: „vor allem [in] ihr[em] Hass gegenüber Juden, ihr Hass gegenüber Frauen, [und] beide haben eine gewisse Skepsis gegenüber dem Mainstream und den Medien“. Damit verdeutlicht Ahmad Mansour, dass der Ursprung aller Ideologien, vor allem von Radikal-Ideologien, fast immer der Gleiche ist und im Kern viele Gemeinsamkeiten bestehen. 

Außerdem erzählt Ahmad Mansour von seiner Kindheit und seiner Erfahrung mit Krieg in Israel. Als Anfang der 90er Jahre in Israel Krieg herrschte und durch Bombenangriffe auch einige Juden getötet wurden, feierten die Araber in Mansours Nachbarschaft auf den Dächern. Dieser Vorfall hat ihn lange Zeit verfolgt und somit begann er, in Tel Aviv Psychologie zu studieren, um die Denkweisen der Menschen besser zu verstehen. Er musste auch erst selbst lernen, seine Vorurteile gegenüber den Israelis abzulegen, was ihm vor allem dann in Deutschland gelang, als er die Geschichte der Verfolgung der Juden aus europäischer Perspektive näher betrachtete, mit dem Höhepunkt im Holocaust. 

In Bezug auf Integration von Flüchtlingen in Deutschland, sagt Mansour, dass Frauen nur zu gewinnen haben. Hier biete sich für sie erstmals die Chance, aus patriarchalischen Strukturen frei zu kommen, und sich von ihren Männern zu trennen, wenn sie das möchten, ohne ihre Kinder zu verlieren. In einem vorherigen Buch von Mansour hat er mehrere männliche Flüchtlinge befragt und sehr häufig den Satz gehört: „Deutschland bringt unsere Frauen dazu, uns zu verlassen“. Auch für Kinder sei der Integrationsprozess in Deutschland meist einfacher als für die Eltern und so bleibt ein streng patriarchalischer Vater schnell auf der Strecke, sobald die Kinder die Sprache besser verstehen, Kontakte zu Lehrkräften haben, und einen Freundeskreis entwickeln.  Mansour erzählt, in den meisten Fällen von radikalisierten Jugendlichen, liegen die Ursachen in der Familie und oft genau in solchen Fällen, wo patriarchalische Strukturen auf einmal gebrochen werden. Junge Menschen, denen einen Perspektive fehlt, sehen oft in gewissen Ideologien einen Sinn, ein Ziel, und Hoffnung. Ein gewisser Grundbezug zu der Thematik bestehe meistens aus früheren familiären Geschichten. In jedem Fall sei es jedoch immer wichtig, Begegnungen herzustellen zwischen den Kulturen und Religionen, um so Vorurteile abzubauen.

In einem zuvor geführten Interview spricht Ahmad Mansour zudem über den Nahost Konflikt zwischen Israel und Palästina/Gaza. Thema ist auch, wie damit in Deutschland umgegangen wird und wie der Antisemtismus in Deutschland immer mehr ansteigt, gleichzeitig aber auch eine erhöhte Feindseligkeit von Israelis gegenüber Arabern in Israel zu beobachten ist. 

 


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