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"Dear Future Children" :: Eine Film-Rezension und Interview mit dem Regisseur

Das Tübinger Sommernachtskino präsentierte mit der Doku „Dear Future Children“ drei junge Protestbewegungen, auf der ganzen Welt verteilt. Laut dem 22-jährigen Regisseur Franz Böhm wurde damit ein Vakuum gefüllt.

„Schaut einfach hin!“ ist der Appell des Regisseurs und alles, was er seinen Zuschauer*innen sagen möchte. Das Film-Team reiste nach Chile und begleitete dort eine junge Frau, die sich an den Massenprotesten für soziale Ungleichheit beteiligte. Sie ist eine sogenannte „Frontlinerin“: Auf den Filmaufnahmen trägt sie Gasmasken, ihre Tattoos erzählen Geschichten, genauso wie die bemalten Wände in Santiago, die sie den Produzenten zeigt. Der Blick auf die Bewegungen ist ein besonderer: Man lernt das Land mit seinen Problemen und seiner Geschichte kennen und die Beziehung der Protagonistinnen zu ihrer Heimatstadt. Was Franz Böhm und sein Team so sehr interessiert hat, war die Frage, was junge Menschen bewegt, sich mit ihrer Lebenszeit und ihrem Leben für bestimmte Anliegen einzusetzen. Dafür hat sich das Kamera-Team mit Sicherheitstraining und schusssicheren Westen in die verschiedenen Länder begeben – und Polizeigewalt aus nur zwei Metern Entfernung aufgenommen. Es ist ein bewegender Film, aber nicht nur traurig. Er macht Mut, er inspiriert und es gibt auch Erfolge: In Chile wurde die bisherige „Constitution“ demokratisch abgewählt. Trotzdem wird die Protagonistin aus der Arbeiterklasse weiterkämpfen, zum Beispiel gegen die Privatisierung von Wasser.

 

In Uganda hat das Film-Team die Klima-Aktivistin Hilda kennengelernt. Sie hat aufgrund von Überschwemmungen ihre Heimat verloren und war mit ihrer Familie ein Klimaflüchtling im eigenen Land. Nun setzt sie sich mit Fridays For Future für klimaschonende Maßnahmen ein. Dabei verpasst sie nicht nur Freitage an der Universität, sondern ganze Wochen auf internationalen Konferenzen. Aber auch in ländlichen Regionen versucht sie durch Bildungsarbeit ein Bewusstsein für Klimaschutz zu entwickeln.

 

Franz Böhm erzählte beim Tübinger Sommernachtskino, dass ein großer Teil der Arbeit das Kontakte knüpfen war: Die Protestbewegungen verstehen, Vertrauen zu einzelnen Personen aufbauen. Dass sie diesen persönlichen Einblick in das Leben der drei jungen Frauen bekommen habe, liege daran, dass ihr Interesse ehrlich war. Es ginge nicht um die nächste große Schlagzeile, sondern daraus, aus wahren Zuständen und Begebenheiten Magie zu schaffen. Dass das Film-Team und die Protagonistinnen ähnlich alt waren, habe auch geholfen. Und so sehr, wie Franz Böhm seine Kollegen gelobt hat, so große Fans waren diese wiederum von ihm. Der Regisseur sei die Person, die alle im Team miteinander verbinde, der Hauptkontaktpunkt und der letzte Entscheidungstreffer. Warum er es so jung so weit geschafft habe, liege laut seinen Freunden an seiner enormen Leidenschaft – und die strahlt er auch aus. Franz Böhm erzählte, dass er schon in seiner Schulzeit wusste, dass er in der Filmbranche arbeiten wollte. Er nahm an so vielen Projekten wie möglich Teil, übernahm noch die kleinsten Jobs in ganz Deutschland. Heute lebt er in London, seiner kreativen Heimat und der „Filmhauptstadt Europas“. Der Film „Dear Future Children“ hat drei Publikumspreise gewonnen und damit sogar eine kleine Chance auf Oscar-Nominierung. Finanziert wurde er durch Crowd-Funding.

 

Die dritte Aktivistin ist Front-Linerin in den Free Hongkong Protesten. Sie kämpft für Demokratie und gegen eine chinesische Dikatatur. Die Hongkongerin hat schon viele Verluste erlitten, eine Freundin wurde festgenommen. Schon ein Satz von ihr - „I'm not from China, I'm from Hongkong“ - bewegt unglaublich. Diese Wirkung ist Teil des Montage-Zaubers des Films. Die Musik – bei Dokumentationen ja sonst eingeschränkter als bei Spielfilmen – untermalt Gefahr, Fürsorge und Leidenschaft. Die Bilder sind manchmal brutal und manchmal zärtlich, alles wirkt so real, wie es ist.


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Dear_Future_Children.mp3



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