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Franziska Schulz :: Friedensdelegation in Südkurdistan
Franzi wurde Teil der Delegation auf eine Einladung des kurdischen Frauenbüros Cenî. Ceni wurde 1999 von kurdischen Frauen in Europa gegründet und hat sich zur Aufgabe gemacht, die Stimme von Frauen in Friedensprozessen hörbar zu machen. Der Fokus liegt dabei häufig auf Kurdistan.
Kern der Mission war es, für Frieden und gegen den Krieg einzustehen und ein klares Zeichen zu setzen. Die Gruppe war in Solidarität mit den kurdischen Volk da. Ein Ziel war es, den Dialog zu stärken und gegen innerkurdische Konflikte und Spaltung zu stehen. Am Anfang war das Interesse an einem Dialog vor Ort noch gering, doch die Delegation hat es geschafft, Aufmerksamkeit zu erregen und letztendlich haben sie sich mit allen wichtigen Parteien in Südkurdistan getroffen.
Im Nordirak gibt es seit 1991 eine autonome Regierung Kurdistan. Von Anfang an hat die KDP dort eine wichtige Rolle gespielt. Sie steht unter dem Einfluss des türkischen Staates, weil dieser militärische und wirtschaftliche Abhängigkeiten geschaffen hat. Inzwischen ist die Türkei sehr präsent dort, hat ein riesiges Geheimdienstnetz aufgebaut und etwa 40 Militärstützpunkte unter ihrer Kontrolle. Und das schon vor der neuen kriegerischen Besatzungsanstrengungen im April 2021.
Offiziell richtet sich die kriegerische Operation gegen die PKK. Vor Ort sei aber deutlich geworden, dass es sich in Wirklichkeit um einen Krieg gegen die Bevölkerung handelt. Zahlreiche Dörfer mussten evakuiert werden und es findet eine enorme Naturzerstörung, wie gezielte Abrennung von Wäldern statt. Das Ziel dieser türkischen Besatzungsoperation ist es, Teile Südkurdistans weiter zu besetzen, um die Grenzen von 1923 wiederherzustellen. 1923 wurden im Vertrag von Lausanne willkürliche Grenzen gezogen, die Türkei musste dabei wichtige Gebiete des ehemaligen Osmanischen Reichs abtreten. Diese möchte Erdogan, wie er selbst mehrfach öffentlich verkündet hat, bis 2023 wieder erobern.
Ursprünglich sollten 150 Personen aus 14 europäischen Ländern an der Friedensmission beteiligt sein, darunter Parlamentarier*innen, Aktivist*innen und Journalist*innen. Letztendlich waren aber nur 80 Menschen vor Ort. Ein Teil der Gruppe war von der Bundespolizei aufgehalten worden. Darunter war die Fraktionsvorsitzende der Hamburger Linkspartei Cansu Özdemir, die einen Abgeordnetenstatus besitzt und daher rechtlich nicht aufgehalten werden darf.
Als Grund wurde genannt, die Friedensdelegation gefährde die deutsch-türkischen Beziehungen. Die Bundespolizei gab an, es sei eine Anweisung „von Oben“ gewesen. Auch in anderen Ländern wie Frankreich wurden Menschen aufgehalten. Geopolitische Verbindungen spielen eine große Rolle, man der verlängerte Arm von Erdogan in der deutschen Politik sei spürbar. Die Repression gegen Menschen, die sich für Frieden in Kurdistan einsetzen ist in Deutschland besonders stark. Weiß-deutsche Menschen sind von dieser Repression bisher noch kaum betroffen, es geht eher um kurdische Aktivist*innen.
Auch in Erbil selbst wurden noch etwa 40 Personen an der Einreise gehindert, weil die Friedensdelegation von den Behörden als Bedrohung wahrgenommen wurde. Die KDP (Kurdistan Democracy Party) ließ die Gruppe deutlich spüren, dass sie nicht erwünscht sind, so wurde sie zum Beispiel am Verlassen des Hotels gehindert, als sie eine Pressekonferenz vor dem UN-Gebäude halten wollten.
Die Zivilbevölkerung demonstriert gegen viele Missstände und den Krieg, aber Widerstand gegen die herrschenden Verhältnisse gestaltet sich schwierig angesichts eines sehr repressiven politischen Klimas. Ziel sollte laut Franzi ein friedlicher Dialog sein und keinesfalls eine militärische Auseinandersetzung.
Als kurdische Identität bezeichnet Franzi vor allem ein Bewusstsein darüber zu haben, kurdisch zu sein. Ein Bewusstsein darüber, die kurdische Sprache sprechen zu können und das Bewusstsein darüber, das eine kurdische Geschichte und Vergangenheit gibt. Allein dieses Bewusstsein ist schon eine Art des Widerstands, da der türkische Staat seit Jahrzehnten versucht es zu zerstören. Denn durch die Türkei gibt es eine starke Türkisierungspolitik und den Versuch, die kurdische Identität zu assimilieren. Das kurdische Gebiet ist zwar auf 4 Staaten verteilt, aber der Nationalstaatsgedanke ist inzwischen nicht mehr Teil der kurdischen Idee von Befreiung. Er wurde durch das Konzept des Demokratischen Konföderalismus ersetzt, der föderale Selbstverwaltung auf den drei Säulen Geschlechterbefreiung, Ökologie und Basisdemokratie anstrebt.
Die innerkurdischen Konflikte teilen sich primär in zwei Gruppierungen auf: die PKK und um die KDP. Die KDP verfolgt eigentlich ein kapitalistisches, neoliberales Staatsprojekt und ist ein beliebter Partner der Türkei, der NATO und der Bundesregierung. Auf der anderen Seite ist die PKK, die die Selbstverwaltung der Gesellschaft auf den Grundlagen eines ökologischen, geschlechterbefreiten und basisdemokratischen Leben anstrebt.
Neben den politischen Aufgaben hatte Franzi und die Gruppe auch die Möglichkeit, die Kultur in Südkurdistan besser kennen zu lernen. Besonders beeindruckend war das Gewusel auf dem Basar und die eindrucksvolle Natur mit ihren Bergen, Tälern und Wasserfällen. Auch über das Ezidentum konnten sie viel lernen und das religiöse Oberhaupt der Eziden treffen.
Franzi sieht gute Chancen dafür, dass die bisherige Selbstverwaltung in Nord- und Ostsyrien weiter gehen kann. Sie glaubt die kurdische Freiheitsbewegung ist zu einer großen Bewegung geworden, an der man nicht einfach vorbei kommen kann. Es muss aber weiter für die Verteidigung dieser Selbstverwaltung auf die Straßen gegangen werden, um den Druck auf die deutsche Bundesregierung zu erhöhen.
Den eigenen Zugang zu Kurdistan bekam Franzi über die Uni. Sie studiert Politikwissenschaften und hatte eine kurdische Dozentin, die ihr ein Verständnis dafür vermittelte. Sie begann, auf Demonstrationen zu gehen und hat auch einen emotionalen Bezug dazu bekommen.
Von hier aus kann man helfen, in dem man auf die Situation aktiv aufmerksam macht. Viele wissen wenig Bescheid und sind sich nicht darüber bewusst, dass man was verändern kann. Vor kurzem wurde die Defend Kurdistan Kampagne veröffentlicht mit verschiedenen Aktionen und Infomaterialien.
Audio
Friedensdelegation_in_Suedkurdistan_Interview_lang.mp3
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Friedensdelegation_in_Suedkurdistan_Interview_kurz.mp3
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