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Jüdische Schicksale zur NS-Zeit: Eine Geschichte von Raub und Plünderung
„Ausgrenzung – Raub – Vernichtung“. Das ist das Schicksal etlicher Juden und Jüdinnen in Deutschland von 1933 bis 1945. Doch ein Thema ist bislang relativ unerforscht geblieben: Die Ausplünderung der jüdischen Bevölkerung durch den Nazistaat. Damit beschäftigt sich das Buch „Ausgrenzung – Raub – Vernichtung: NS-Akteure und ‚Volksgemeinschaft‘ gegen die Juden in Württemberg und Hohenzollern 1933 bis 1945“. Hierin finden sich Einzelschicksale. Zusätzlich wurde eine Wanderausstellung kuratiert. Diese ist noch bis zum 31. Mai in Tübingen.
Der nationalsozialistische Staat hat Gesetze zur Ausgrenzung der jüdischen Bevölkerung erlassen, aber zu Anfang der Nazizeit waren es vor allem Akteure von unten, die ihre Mitbürger*innen schädigten und ausschlossen. Der Staat und die SS schoben sich erst ab etwa 1938 in den Vordergrund.
Einerseits waren die regionalen Behörden von Bedeutung. In Tübingen beispielsweise beschloss der Gemeinderat, Juden und Jüdinnen vom Besuch des Freibads auszuschließen. Damit war Tübingen die erste deutsche Stadt, die ein solches Verbot erließ. Insgesamt beugten sich die Gemeinderäte in Tübingen der NSDAP-Fraktion. Bankeinlagen beim jüdischen Bankhaus Weil wurden gekündigt, Verträge mit jüdischen Händlern beendet. Nach der Zerstörung der Synagoge eignete sich die Stadt nicht nur das Grundstück an, sondern verkaufte intakte Steine und Ziegel gewinnbringend an Maurer und Bauunternehmer.
Die Finanzämter erhoben hohe Abgaben, wie die Judenvermögensabgabe. Alle Juden und Jüdinnen mit einem Vermögen von über 5000 Reichsmark mussten 25 % abgeben.
SA-Gruppierungen vor Ort riefen zum Boykott von jüdischen Geschäften auf. Außerdem wurden jüdische Geschäfte zwangsverkauft. Die Preise für die Betriebe lagen weit unter Wert. Andere Juden und Jüdinnen wurden vertrieben und verließen das Deutsche Reich. Doch wer sich dafür entschied, den ließen die Nazis nicht einfach gehen. Sie erhoben eine „Reichsfluchtsteuer“.
Und auch Privatpersonen profitierten von der Ausplünderung der jüdischen Bevölkerung. Manch einer erwarb günstig eine ehemals jüdische Firma. Zurückgelassener Besitz von geflohenen und deportierten wurde versteigert. Andere nahmen einfach, was sie in verlassenen Häusern finden konnten.
Insgesamt raubte Nationalsozialisten und Profiteure 12 Milliarden Reichsmark von 16 Milliarden Reichsmark an jüdischem Vermögen, allein in Deutschland. Zurückgegeben wurde von dieser Summe lediglich etwa ein Drittel. Die Rückgabe der Firmen erfolgte nur auf Betreiben der Alliierten hin. Gestohlener Hausrat oder andere Gegenstände, die sich im Besitz von Privatpersonen befanden, wurden höchstens durch den Staat ersetzt.
Und auch das dunkle Kapitel des Holocausts, der Shoa, ging nicht an Württemberg vorbei. Insgesamt wurden 2500 Juden und Jüdinnen aus Württemberg deportiert. Von diesen überlebten nur 180.
Martin Ulmer von der Geschichtswerkstatt Tübingen, der sich über mehrere Jahre mit dem Thema der Ausplünderung der jüdischen Bevölkerung beschäftigt hat, ist davon überzeugt, dass das Narrativ des Mitlaufens, der Manipulation durch eine Naziclique falsch ist. „Es gab unheimlich viele Mitmacher, die gern mitgemacht haben. Die gern Juden ausgegrenzt haben. Die meisten Deutschen mussten gar nicht dazu gezwungen werden, im NS mitzulaufen“, erklärt er. Außerdem sei auch durchgesickert, dass die deportierten Juden und Jüdinnen nicht überleben würden. Vor dem Hintergrund der nicht zurückgegebenen Geld- und Vermögenswerte müsste man auch mal überlegen, ob das Wirtschaftswunder wirklich nur ein Produkt des Marshallplans und der fleißigen Bevölkerung war. Denn die Differenz von geraubtem Vermögen und zurückgegebenem ist Geld, dass der neuen Bundesrepublik oder im Osten der DDR als Startkapital zur Verfügung stand.
Die Tafeln der Wanderausstellung sind im Staatsarchiv Ludwigsburg zusätzlich hinterlegt und können online angesehen werden.
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