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Joachim Zelter :: Literatur muss das schlimmstmögliche Ende zeigen
„Die Verabschiebung“ heißt der neue Roman des Tübinger Autors Joachim Zelter, den er am Montagmorgen im Lokalmagazin präsentierte. Ein politisches Werk – wobei das laut Zelter bedeutet, dass es explizit politisch ist. „Eigentlich ist jeder Autor ein politischer Autor, selbst wenn er behauptet, nicht politisch zu sein. Denn diese Behauptung „Ich bin nicht politisch“ ist auch eine politische Haltung.“
In seinem neusten Buch geht es um das Asylverfahren des gebürtigen Pakistaners Faizan und seiner deutschen Frau Julia.
Auch, wenn es ein fiktionales Werk ist – es erzählt eine Geschichte, die Zelter selbst erlebt hat. Seine Schwester und ihr aus Pakistan stammender Ehemann führten über fünf Jahre ein Asylverfahren. „Ich habe erlebt, was das mit meinem Schwager macht, auch, was das mit meiner Schwester macht. Das erstickt einen“, erklärt er.
In der Livesendung präsentiert er zudem eine Szene, die vom Besuch der Ausländerbehörde handelt. Diese ist fiktional, aber deshalb nicht unrealistisch. Er erzählt, wie seine Hauptfigur von einem Beamten besucht wird. Mit intimen Fragen dringt er in ihr Privatleben ein, nachdem sie ihren Freund geheiratet hat – um seine Abschiebung zu verhindern. Im Roman wird dieses Vorgehen als staatlich erzwungene Zwangsehe bezeichnet. Julia hat eine funktionierende Beziehung, sie glaubt jedoch nicht an die Ehe. In ihrer Wohnung finden sich Zitate von Oscar Wilde: „Scheidungen werden im Himmel geschmiedet.“ Julia will nicht heiraten, sie glaubt daran, dass die Ehe der Liebe entgegensteht. Zuletzt muss sie die Ehe eingehen, um ihren Freund vor der Abschiebung zu bewahren und mit ihm zusammenbleiben zu können. Ein Paradoxon, nennt es Zelter, der selbst diese Auffassung vertritt. Laut ihm hält die heutige Gesellschaft alte, bürgerliche Werte hoch, wir leben nicht in der progressivsten Zeit, meint er, sondern in einer „Gegenaufklärung“. Auch der beschriebene Beamte stellt keine Ausnahme dar: Seine Vorstellung einer Beziehung ist konservativ. Der Mann ist älter. Auf 30 Quadratmetern kann man nicht zu zweit leben. Zur Zahnbürste gehört ein Zahnputzbecher. All das erfüllt das Paar nicht.
Den Ausschlag, die Erlebnisse niederzuschreiben gab die Abschiebung seines Schwagers. Mitten in der Nacht sei die Polizei gekommen. Handys wurden einkassiert, damit keine Aufnahmen ins Internet geraten. Das war der Punkt an dem Zelter wusste: er muss diesen Roman schreiben. „Ich kann sonst nicht ruhigen Gewissens weiterleben.“
In der Realität endet die Geschichte gut, sein Schwager ist mittlerweile wieder in Deutschland. Ein Happy End ist es dennoch nicht, mehr eine „erschöpfte Erleichterung“. Für seine Romanfiguren hat Zelter hingegen das schlimmstmögliche Ende gewählt. „Nur dann hat Literatur Wirkung“, meint er.
Sein Roman zeige auch: Die Abschiebung kann juristisch rechtens sein, aber im Namen dieses juristischen Rechts wird großes menschliches Unrecht verübt. Sein Buch soll aufrütteln und bestehende Strukturen zur „Kenntlichkeit verzerren“, begründet er auch manche fiktional überspitzte Szene. Auch wolle er zeigen, dass jeder Mensch einen Platz auf dieser Welt sucht – und ein Anrecht auf einen Platz in dieser Welt hat.
Einen Platz findet die Geschichte auch auf der Bühne, wenn es Corona zulässt. Im September soll es Premiere in Arnsbach feiern, berichtet Zelter.
Audio
Leseausschnitt Asylverfahren
Leseausschnitt_Asylverfahren.mp3
Leseausschnitt Behördenbesuch
Leseausschnit_BehoerdenBesuch.mp3
Interview Joachim Zelter komplett mit Leseausschnitten
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Interview Joachim Zelter Kurzversion
Interview_JoachimZelterKurz.mp3
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