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IMI-Kongress 2020 :: Politik der Katastrophe

Die Informationsstelle Militarisierung (IMI) hielt ihren jährlichen Kongress 2020 im Radio und in digitaler Form. Inhaltlich soll das Handeln von Institutionen der „sogenannten Sicherheitspolitik“ genauer in den Blick genommen werden. Beim Panel „Politik der Katastrophe“ beleuchten drei Referent*innen das Thema aus ihrer individuellen Perspektive. Jacqueline Andres stellte das Buch „The Shock Doctrine“ von Naomi Klein vor. Miriam Younes, die aus Beirut zugeschaltet wurde, berichtete über den Wandel, den die libanesische Gesellschaft und Politik nach der Explosionskatastrophe durchmachen musste. Zu guter Letzt illustrierte der Jurist Tom Jennissen anhand von Gesetzesverschiebungen in der Pandemiesituation das Verhältnis von Katastrophe und Recht.

Den Auftakt des IMI-Kongresses 2020 machte Jacqueline Andres (IMI-Vorständin) mit der Vorstellung der Schock-Doktrin nach Naomi Klein. Sie stellte Kleins Forschung dar, nach der neoliberale Regierungen Reformen zur Privatisierung besonders leicht in gesellschaftlichen Schock-Situationen (z. B. wirtschaftliche Zusammenbrüche, militärische Niederlagen oder Naturkatastrophen) gegen den Mehrheitswillen einer Bevölkerung umsetzen können. Die Referentin schnitt zur Veranschaulichung kurz einige Beispiele an, wie etwa den Militärputsch 1973 in Chile gegen die damalige sozialistische Regierung.

Die Explosion von Ammoniumnitrat im Hafen von Beirut am 4. August 2020 war das Thema des zweiten Vortrags. Die Referentin Miriam Younes (RLS-Büro Beirut) berichtete von der furchtbaren und tödlichen Katastrophe als Symptom einer korrupten, ignoranten und gewalttätigen Politik, deren Auswirkungen sich unmittelbar gegen die libanesische Zivilbevölkerung richten. Die libanesiche Gesellschaft befindet sich seit der Explosion in einer regelrechten Schockstarre, während die politischen und wirtschaftlichen Eliten um die Macht im Land streiten. Die Referentin schloss ihre Betrachtungen mit der Darstellung einer dennoch aktiven und vielseitigen Protestbewegung, die sich trotz aller Hindernisse gegen die herrschenden Verhältnisse wehrt.

Das Panel wurde geschlossen von Tom Jennissen (CILIP / Grundrechtekomitee), der anhand des Beispiels der Corona-Maßnahmen in Deutschland in seinem Vortrag den Begriff des "Ausnahmezustandes" diskutierte. Obwohl im Frühjahr 2020 kein offizieller Ausnahmezustand in Deutschland ausgerufen wurde, konnte laut dem Referenten ein "entfesseltes Regieren" beobachtet werden: Der Staat griff schon bei der bloßen Andeutung von Macht- oder Kontrollverlust ohne jegliche rechtliche Grundlage hart durch. Gegenüber ohnehin bereits marginalisierten gesellschaftlichen Gruppen äußerte sich dieses Vorgehen besonders stark. Hier sei sichtbar geworden, wie der Staat in Situationen von drohendem Machtverlust agiert.


Audio

Vortrag von Jacqueline Andres

Download (46,53 MB)
Panel1_JaquelineAndres.mp3


Vortrag von Miriam Younes zum Nachhören

Download (46,92 MB)
Panel1_MiriamYounes.mp3


Vortrag von Tom Jennissen zum Nachhören

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Panel1_TomJennissen.mp3


Fragenrunde zum Nachhören

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Panel1_Fragerunde.mp3



Bilder





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