Über die Proteste gegen die Corona-Maßnahmen und ihre problematischen Inhalte referierte Lucius Teidelbaum, freier Journalist und Buchautor. Die Corona-Pandemie und die auf sie folgenden Beschränkungen ab Mitte März 2020 sorgten für starke Verwerfungen in der Gesellschaft. Gegen die Beschränkungen gingen ab Anfang April Tausende auf die Straße. Doch sie demonstrierten nicht nur gegen die Einschränkungen, sondern vertraten auch Verschwörungserzählungen. Demnach würden finstere Mächte hinter der Corona-Krise stecken. Die Suche nach Schuldigen an der Pandemie und die Beschränkungen führte viele Menschen auf das verschwörungsideologische Glatteis.

Verschwörungstheorien zu definieren ist nicht ganz einfach. Teidelbaum zieht den Begriff Verschwörungsideologie der -theorie vor. Ideologien bündeln seiner Meinung nach Verschwörungsmythen und -erzählungen. Erhalte ein Begriff den Status einer Theorie, beinhalte dies auch gleichzeitig eine Beweispflicht. Beweise könne der Großteil der Verschwörungen, laut Teidelbaum, nicht liefern. Er definiert deshalb gerne, je nach Verwendungszweck. Als Beispiel nennt er die Defintion der Amadeo Antonio- Stiftung, die "den großen Plan" in den Mittelpunkt stellt. Dieser Plan erklärt alle Geschehnisse auf der Welt. Verchwörungsideologien sollen somit komplexe Ereignisse in unserer Gesellschaft vereinfachen und verständlich machen. Eine weitere Erklärung schildert Wolfgang Benz mit der "Theorie zur Urverschwörung: eine Gruppe steht der Mehrheitsgesellschaft feindlich gegenüber. Deren Machenschaften müssen aufgedeckt werden, um ihnen die Weltherrschaft zu entreißen.

Die Basis vieler Verschwörungstheorien ist meist eine antisemtische Weltverschwörung. Teidelbaum bezeichnet den Antisemitismus auch als Mutter aller Verschwröungsmythen, da er immer wieder auf Neue aktuellen Ereignissen übergestülpt werde. Die Anschlussfähigkeit von Verschwörungstheorien an den Antisemitismus ist sehr problematisch. So geht aber nicht alles, was mit Verschwörungen zu tun hat, auch zwangsläufig mit Antisemitismus einher.

Ein ebenfalls wichtiger Begriff scheint die Marionettenmetapher zu sein. Die eigentlichen Machthaber sind meist nicht Personen in offiziellen Führungspositionen, sondern Gruppen im Hintergrund, die im Geheimen die Strippen ziehen. So sehen es die Verschwörungsideologen als ihre Aufgabe, dieser Marionette die Fäden zu durchschneiden und Hintergrundmächte aufzudecken.

Wie hängen nun Verschwörungsmythen, -erzählungen, und -ideologien mit der aktuellen Corona Pandemie zusammen? Eine gesellschaftliche Krise liefert generell einen guten Nährboden für Verschwörungen aller Art. Wie bereits gesagt gibt es immer wieder, auch in der Wissenschaft, Lücken in Ereignissen, die sich nicht erklären lassen. Hier grätschen Verschwörungsideologen hinein und bieten alternative Erklärungsmodelle. Dinge, die den Modellen widersprechen, werden abgewiesen. Theorien zu Corona beginnen nach Teidelbaum durchaus auf rationaler Basis, gleiten aber schnell ab in Verschwörungskonstrukte. Aus Kritik an Corona-Maßnahmen des Staates, entstehen Erklärungen um diese Maßnahmen verständlich zu machen. Teidelbaum sieht das Coronaleugnen und die Verharmlosung der Pandemie als Einstiegsdroge in die Welt der Verschwörungsmythen und -ideologien.

Die werde ganz schnell zum Gesetz und es bilde sich ein Netz aus allerlei bereits bestehenden Verschwörungsideologien. Vom Q-Anon-Mythos einer geheimen Elite, über Bill Gates als Strippenzieher, bis zu antisemitischen Erklärungsmodellen einer jüdischen Weltverschwörung. Teidelbaum nennt einige Ansichten, die die meisten Querdenker*Innen vereint. Dazu gehört das Misstrauen gegenüber den etablierten Medien und der Glaube an eine Volks-Eliten-Dichotomie. Rechtsradikale Gruppierungen und rechte Parteien, wie die AfD, finden Anschluss an einige Überzeugungen der Querdenker*Innen. Teidelbaum warnt vor einer Unterwanderung der Querdenker*innen von Rechts und einer generellen Radikalisierung.

Trotzdem sei es keine Lösung, Verschwörungsanhänger*innen durch Anfeindungen und Unverständnis an den Rand der Gesellschaft zu drängen. Fühlen sich Menschen in einer Gesellschaft nicht mehr gehört und missverstanden, suchen sie sich Zugehörigkeit woanders. Dies kann dann die Tür zu Radikalisierung öffnen.

Der Radiobeitrag zum Nachhören

Download (12,52 MB)
Teidelbaum_Abmischung.mp3