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Demokratiekonferenz :: Wie verändert Corona unsere Demokratie?

Wie wird unser Zusammenleben durch die Corona Maßnahmen beeinflusst? Was bedeutet das alles für uns? und Wie verändert Corona unsere Demokratie? Das waren die Leitfragen der diesjährigen Demokratiekonferenz im franz.K. 3 Themenblöcke wurden in einer 5-köpfigen virtuellen ExpertInnenrunde diskutiert.

Diese ExpertInnenrunde setzte sich aus 5 DiskutantInnen zusammen. Unter ihnen Kira Ayyadi, eine Politikwissenschaftlerin und Philosophin, die sich gegen Rechtsextremismus engagiert. Gisela Erler, baden-württembergische  Staatssekretärin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung. Prof. Dr. Ortwinn Renn, Soziologe, Volkswirt und wissenschaftlicher Direktor am Institut für Nachhaltigkeitsforschung und international anerkannter Risikoforscher. Manuela Rukavina, sie ist Soziologin, Coach und Vorsitzende des ver.di-Landesbezirksfrauenrats Baden-Württemberg. Und Thomas Staehlin leitender Partner von +zone research KG, seine Arbeitsschwerrpunkte sind unter anderem soziale Intelligenz in der Digitalisierung, Datenschutz und Demokratie und digitale Ethik.

Zu der Frage, ob die politische Partizipation unter den aktuellen Pandemiebedingungen zurück gegangen sei, meint Staatssekretärin Gisela Erler, sie erkenne in der digitalen Kommunikation sehr viele Chancen, die sich nicht erwartet habe. Man könne nun viel mehr Leute erreichen, ortsungebunden und Länderübergreifend kommunizieren. Manuela Rukavina teilt Frau Erlers Ansichten, jedoch ergänzt sie, dass sich aktuell nur die Menschen beteiligen würden, die über genügend Ressourcen verfügen würden. Einerseits seien das die  technischen Ressourcen und andererseits nehme sie aktuell eine sehr ermüdete Frauengeneration wahr. Daher würden sich lediglich die Leute beteiligen, die über genügend individuelle Kraftreserven verfügen und abends auf dem Sofa noch genügend Energie dazu aufbringen können sich politisch zu partizipieren. 

Ist es denn überhaupt möglich ab sofort alles zu digitalisieren um umfassend digital zu kommunizieren? Und was macht man mit Menschen, die über keine Endgeräte verfügen? Thomas Staehlin, Experte für soziale Intelligenz und Digitalisierung, stellte zunächst klar, dass  die Digitalisierung nicht alle Probleme lösen würde. Von der technischen Seite betrachtet, sei das Problem überhaupt nicht so groß. Einfache und gute Beteiligungsmöglichkeiten bieten beispielsweise sichere offene Webkonferenzsysteme wie beispielsweise BigBlueButton, das auch für die Demokratiekonferenz genutzt wurde. Solche Kommunikationsplattformen stellen eine ausgezeichnete Möglichkeit dar, kleine interaktive Mikrokonferenzen zu bilden und Leute zu vernetzen. Die größere Herausforderung sei der Bedarf an Formaten und den Mut zu finden, diese auszuprobieren.

Zu der Frage, ob Rechtsextremisten in der Corona-Krise sichtbarer geworden sind, meint Kira Ayyadi dass es durchaus möglich sei, dass durch die mediale Berichterstattung über Corona-Demonstrationen, bei denen rechte Gruppierungen häufig präsent waren, diese vermehrt in den Fokus der breiten Masse gerückt wurden. Da sich Kira Ayyadi in ihrem beruflichen Alltag gegen Rechtsextremismus engagiert, wurden für sie rechte Gruppierungen nicht präsenter. Auffällig seien aber die vielen Anfragen von Personen, die beispielsweis im familiären Kontext oder im Freundeskreis mit Verschwörungserzählungen konfrontiert sind und sich hilfesuchend an die Stiftung wenden. Jedoch gäbe es hierfür keine Patentlösung.

Risikoforscher Renn erklärt die Psychologie hinter Verschwörungserzählungen. Renn ist der Meinung, dass die Regierung und Leute wie Drosten sich darum bemühen, Beschlüsse plausibel zu begründen. Nichtdestotrotz sei ein partizipatives dialoghaftes Verfahren außerordentlich wichtig. Gleichzeitig sei vor allem in der Demokratie die Verhältnismäßigkeit ein sehr hohes Gut. Diese gelte es immer wieder neu infrage zu stellen und zu eruieren.

Mit Freiheitsbeschränkungen werde in der Coronakrise versucht, Menschenleben zu retten und nicht das Ziel verfolgt, politische Macht zu demonstrieren. Dass Kulturschaffende, Reiseveranstaltende oder andere Personen, die von der Krise finanziell besonders stark betroffen sind, die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen anzweifeln, kann Risikoforscher Renn verstehen. Gerade hier sei eine Diskussion notwendig, um gegebenenfalls Leute einzubinden und Betroffene nicht in Verschwörungsideologien abrutschen zu lassen, weil sie sonst kein Gehör finden. Trotzdem sei die Grundlage der Verhältnismäßigkeit in unserer Gesellschaft immer, dass der Gesundheitsschutz einen sehr hohen Charakter habe, welcher nicht in Frage gestellt werden dürfe.


Kira Ayyadi meinte, dass die rechte Szene das Potential erkannt habe, in diesen Demonstrationen menschenfeindliche Ideologien wie Rassismus, Antisemitismus oder eine generelle Demokratiefeindlichkeit zu verbreiten. Das Problem liege darin, dass rechte Akteure und Verschwörungserzähler diese Demos gekapert hätten. Wie sehen die Prognosen unter Corona für diesen Winter bzw. nächstes Jahr aus? Risikoforscher Renn zeigt sich angesichts der aktuellen Impfstoffforschung optimistisch.


Audio

Der Radiobeitrag zum Nachhören

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Demokratiekonferenz_Abmischung_final.mp3





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