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Sportsoziologe Ansgar Thiel :: Sport ist mehr als nur ein Ausgleich

Ansgar Thiel ist Sportsoziologe und Direktor des Instituts für Sportwissenschaft an der Universität Tübingen. Neben den corona-bedingten Veränderungen im Sport an der Uni und im Alltag, erläutert er die Relevanz der Erholungsphasen neben körperlichen und psychischen Belastungen im Spitzensport. Er widmet sich auch der Rolle von Sport und Bewegung an Schulen und Altenpflegeeinrichtungen, wo Bewegung durch neue Organisationsstrukturen noch besser eingebunden werden kann.

Sport soll Spaß machen und auch fürs Wohlbefinden genutzt werden. Durch die aktuelle Pandemie kann der Spaß am Sport an der Uni Tübingen leider nur teilweise ausgeschöpft werden. Nach Ansgar Thiel rücke das Fachgebiet Sport etwas in den Hintergrund. So steht man am Sportwissenschaftsinstitut noch vor der Frage, wie es weitergehen soll. Es muss nun vor allem im praktischen Sportunterricht umgedacht werden, um für alle Sportarten ein separates Hygienekonzept zu entwickeln. In der Lehre ist körperliche Nähe deshalb von Nöten, da viele Positionen und Bewegungen des Sports detailliert analysiert werden müssen. Das macht "social-distancing" natürlich nicht gerade einfach. Das letzte halbe Jahr brachte bereits viele Veränderungen für die Sportwissenschaftler*Innen mit sich. Wie an vielen anderen Universitäten, musste auch hier von Präsenz auf Onlinekonzepte des Unterrichts umgestellt werden. Räumliche Distanz wird auch durch Minimierung der Kurs- und Seminarteilnehmer*Innen gewährleistet.

Der Numerus Clausus für das Studium der Sportwissenschaft setzt neben der sportlichen Leistung auch eine gute Abiturnote voraus, da diese für das Theorieverständnis von Anatomielehre, Biomechanik, Sportsoziologie und anderen Themengebeten von Nöten ist. Die Sportwissenschaften seien breit gefächert und nicht wie, die meisten Menschen annehmen, nur auf Praxisleistung fokussiert, klärt Thiel auf.

Sportstudien zur Gesundheit auf psychischer und physischer Ebene, kommen auch zur Sprache. Spitzenathlet*Innen gelten als Burnout-Risikogruppe, da viele von ihnen ihr Leben nach dem Sport richten und keinen sozialen Ausgleich, wie beispielsweise durch Freunde, haben. „Wenn dann der Sport nicht klappt, bricht die Welt zusammen“, so Thiel. Im Punkt der körperlichen Gesundheit von Leistungssportler*Innen, plädiert Thiel auf Erholungsphasen nach dem Training. Ein so hartes Training wie heutzutage, verlange auch Kompensationsmaßnahmen, die den Belastungszeiten entgegengesetzt werden müssen. Als Beispiel nennt er Eisbecken, Regenerationslaufen aber auch allseits bekannte Dinge wie Yoga, Meditation und Atemübungen.

Studien zur „Dual-Karriere“ sind ebenfalls sehr aktuell. Diese beschäftigen sich mit der Verbesserung von Trainingsbedingungen für Jugendsportler, um gleichzeitig ohne Probleme durch die Schule zu kommen. Allgemein vergessen die Ministerien die Signifikanz des Sports in der Schule, da das Fach nur als Ausgleich für die wichtigen Fächer Mathe und Deutsch angesehen wird. Thiel sieht das Potential des Schulsports in der Fähigkeit, gerade in die MINT-Fächer zu veranschaulichen und Inhalte verständlicher zu gestalten. Sport ist mehr als nur ein Ausgleich, sondern kann Kindern und Jugendlichen näher bringen, wie, warum und wo Training eingesetzt werden kann.

Nicht nur bei den jungen, sondern auch bei den älteren Menschen unserer Gesellschaft spielt Bewegung und Aktiv-Sein eine große Rolle. Ansgar Thiel ist an einem Uniprojekt zur Bewegungsförderung in Pflegeeinrichtungen, beteiligt, welches genau dies vermitteln soll. Das interdisziplinäre Projekt hat sich das Ziel gesetzt, Bewegung in den Alltag der Menschen in Altenheimen zu bringen. Durch Organisationstrukturen und Entwicklung von Strategien zur Bewegung in Kooperation mit dem Einrichtungspersonal, soll wieder Schwung und Spaß durch Aktivität entstehen.


Audio

Das Interview in der Kurzform

Download (18,22 MB)
Ansgar_Thiel_kurz.mp3


Das ganze Interview zum Nachhören

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Ansgar_Thiel_lang.mp3





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