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El escritor de un país sin librerías :: Rezension

El escritor ist dieses Jahr Teil des CineLatino-Filmfestivals. Hier gibt es die Rezension dazu.

Juan Tomás Ávila Laurel kommt aus Äquatorial-Guinea. Dort ist er zur Kolonialzeit unter der spanischen Herrschaft aufgewachsen. Er hat miterlebt, wie das Land seine vermeintliche Unabhängigkeit gewann. Diese Vision von Freiheit war aber eine Illusion. Tatsächlich hat die Unabhängigkeit nur Tür und Tor geöffnet für andere Mächte, die Herrschaft im Land zu übernehmen. Und so regiert mittlerweile seit 41 Jahren Teodoro Obiang Nguema Mbasogo das Land, ein gewissensloser Diktator, welcher den Luxus und Exzess genießt, während die eigene Bevölkerung in Armut lebt. 2011 hat das Juan Tomás, zu diesem Zeitpunkt einflussreicher Schriftsteller und Aktivist gegen das Regime, dazu motiviert, in Hungerstreik zu gehen, um die Menschen auf die Ungerechtigkeit im Land aufmerksam zu machen. Nach eigener Aussage macht ein Hungerstreik aber nur Sinn, wenn die Leute auch hingucken und sich davon bewegen lassen. Die Menschen im Land haben Juan Tomás keine Aufmerksamkeit geschenkt, und so hat er seine Aktion abgebrochen, und ist nach Spanien, die ehemalige Kolonialmacht Guineas, ins Exil geflüchtet. Sieben Jahre später, bewegt vom 50. Jubiläum der Soveränität Guineas, beschließt er, zurück in seine Heimat zu reisen. Dabei begleitet wird er von Marc Serena und seinem Filmteam, welcher über diese Wiederkehr in ein Land, welches ihn nicht haben möchte, den Dokumentarfilm "El escritor de un país sin librerías", oder zu deutsch "Der Schriftsteller aus einem Land ohne Buchhandlungen" gedreht hat.

Der Film beginnt in Spanien und damit, dass Juan Tomás uns von seiner Kindheit auf der Insel Annobón vor der Küste Äquatorial-Guineas erzählt. Die spanische Kolonialmacht hat die Kultur der einheimischen stark unterdrückt, wie es quasi alle Kolonialherren getan haben, und nicht einmal gestattet, eine andere Sprache als spanisch zu sprechen. Deswegen, so erklärt uns Juan Tomás, war es auch so einfach, nach der Dekolonialisierung eine Diktatur zu etablieren. Das Volk war und ist es nicht gewohnt, souverän zu sein, und nicht unterdrückt zu werden. Harte Strafen, Armut und keine Meinungsfreiheit sind seit Jahrhunderten Normalität.

Als nächstes fasst Juan Tomás den Entschluss, zurück in die Heimat zu reisen. Dort angekommen trifft er seine Familie und alte Freunde, meistens selbst Kunstschaffende wie er selbst, und auch Aktivisten gegen die Unterdrückung des Regimes. Das alles wird mit wunderschön eingefangenen Bildern vom Alltag der Einheimischen untermalt. Wenn Juan Tomás eine Geschichte aus der Vergangenheit erzählt, oder Passagen aus einem seiner Bücher vorliest, werden diese mit rohen, fast schon kindlich gezeichneten Animationen untermalt. Das erschafft einen Kontrast. Auf der Seite stehen die nostalgischen Kindheitserinnerungen und die romantisierte Flucht vor der Grausamkeit der Realitat in fiktive Geschichten. Dem gegenüber stehen harte Aufnahmen der Wirklichkeit, meistens auf einem Stativ aufgenommen und ohne szineastische Verschönerung, welche einem jedes mal ein ernüchterndes Gefühl geben. Das aufgenommene ist aber nicht kalt und leblos, sondern im Gegenteil aktiv und voller Bewegung, oft mit Freude und Elan gefüllt, genau wie die Bevölkerung Äquatorial-Guineas. Das Land ist nicht tot, sondern voller Leben, und so bedrückend die Situation auch scheint, lohnt es sich immer, für die eigenen Brüder und Schwestern, und für ein besseres Morgen zu kämpfen.

 Auch wenn Juan Tomás im Zentrum der Dokumentation steht, darf man nicht verwechseln, wer das tatsächliche Hauptmotiv des Films ist. Es ist nicht Juan Tomás, auch nicht der Diktator Obiang. Es sind die rund 1,3 Millionen Menschen, welche in Guinea leben. Der Film, welcher dieses jahr Teil des CineLatino-Filmfestivals hier in Tübingen ist, erzählt die Geschichte einer ganzen Bevölkerung, welche ein besseres Morgen verdient hat. Morgen wird aber noch nicht der Tag sein, an welchem sich alles bessern wird. Deshalb darf man aber nicht die Hoffnung aufgeben, und nicht aufhören, zu kämpfen. Juan Tomás meinte, er habe seinen Hungerstreik nicht "aufgegeben", sondern gestoppt, damit er zu einem anderen Zeitpunkt weiterkämpfen kann. Hoffen wir, dass er und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter eines Tages gewinnen werden.


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Rezension als Radiobeitrag

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