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Picis Erinnerungen

Robert Scheer sprach mit seiner Großmutter, genannt Pici, über ihre Erlebnisse in den Ghettos in Carei und Satu Mare und in den Konzentrationslagern Ausschwitz, Walldorf und Ravensbrück

Pici, das bedeutet 'die Kleine' auf ungarisch. So, und nicht anders, hat Robert Scheer seine Großmutter genannt.  Die war nicht mal 1,50 Meter groß, hat aber so viel erlebt, dass sich damit mehrere Bücher füllen lassen. Das voererst erste heißt: "Pici. Erinnerungen an die Ghettos Carei und Satu Mare und die Konzentrationslager Ausschwitz, Walldorf und Ravensbrück." All die Stationen, die Pici während der NS-Zeit durchgemacht und überlebt hatte. "Sie war zwar kaum eineinhalb Meter groß, aber nichtsdestotrotz eine große Frau", erzählt Scheer mit einem Lächeln.

In seinem Buch möchte er vor allem eines: Erzählen. Erzählen von all den Erlebnissen, die heute kaum noch vorstellbar sind, und erinnern: An eine kleine große Frau, die ihre gesamte Familie in den Konzentrationslagern verloren hat und es schaffte, dennoch zu überleben.

Ihre Erlebnisse  hat sie für ihre beiden Enkelkinder notiert, auf ungarisch. Um ihnen dies hinterlassen zu können und von ihren Wurzeln zu erzählen. Bis zu ihrem Tod lebte sie bei ihrem Sohn in Israel, wo auch Robert Scheer eine Zeit lang lebte. Anlässlich ihres 90. Geburtstags besuchte er sie nochmal und führte tiefe, persönliche Gespräche: In der Hoffnung, seiner Großmutter ein Geschenk vermachen zu können - in der Form des nun veröffentlichten Buches, sodass auch andere Zugang zu ihrer Geschichte haben.

Anhand ihrer eigenen Aufschriebe und der Gespräche musste Scheer nun viel Übersetzungsarbeit leisten. "Das ist mir besonders schwer gefallen", erzählte er vom Enstehungsprozess. "Und ich gebe zu: Manchmal sind mir die Augen nass geworden." Das ist mehr als verständlich - keiner möchte, dass eine geliebte Person leiden muss und vor allem nicht durch die NS-Zeit, in der unsägliche Sachen passiert sind - doch Pici ereilte dieses schwere Schicksal.

"Aber es gibt auch schöne Momente im Buch", lockert Scheer die Stimmung auf. "In einer Zugfahrt, auf der Reise weg von all diesen Ereignissen, lernte sie beispielsweise meinen Großvater kennen."

Und so gründeten sie, nachdem Pici alle anderen Familienmitglieder verlor, ihre eigene kleine Familie. "Sie hat uns unfassbar geliebt", schwelgt Scheer in Erinnerungen. Besonders als er klein war, hatte er ein enges Verhältnis zu seiner Großmutter: Im Kindergarten angekommen, hieß es für ihn nur "Pici anrufen, Pici anrufen."

So machte Robert Scheer seiner Großmutter  ein schönes Geschenk: Sie konnte noch selbst das Buch lesen, das er für und über sie geschrieben hatte und ihre Geschichte unvergessen festhält. 


Audio

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